Die Lehre von der „Allversöhnung“ ist heute verbreitet, obwohl sie im Neuen Testament keine Grundlage hat. Jesus rechnet damit, dass Sünder, die nicht im Glauben das Heil ergreifen, auf ewig vom Heil ausgeschlossen bleiben und verloren gehen. In der bewussten Trennung von Gott liegt ihre Schuld – und zugleich ihre angemessene Strafe. Wer aber will sich anmaßen, darüber mehr zu wissen als Gottes Sohn? Die Hölle, von der er spricht, verschwindet nicht, bloß weil wir uns weigern, an sie zu glauben. Trösten wir uns also nicht mit Ausflüchten wie der Allversöhnungslehre, sondern ergreifen wir die konkrete Hilfe, die Christus bietet.
Haben Sie es schon gemerkt? In großen Teilen der Kirche hat eine neue Lehre Einzug gehalten. Es ist ohne viel Aufsehen geschehen, mehr so „unter der Hand“. Aber die neue Lehre ist inzwischen derart verbreitet, dass mancher sie für selbstverständlich hält. Viele Pfarrer bekennen sich dazu und predigen entsprechend. Und worum geht es? Es handelt sich um die Lehre von der „Allversöhnung“, auch genannt die Lehre von der „Wiederbringung aller“. Und sie besagt im Kern, dass die Geschichte Gottes mit den Menschen keinen „doppelten Ausgang“ findet (so dass manche Menschen in den Himmel kommen, und andere in die Hölle), sondern dass am Ende der Geschichte alle begnadigt und gerettet werden. Nach dieser Lehre werden auch die Bösesten und Ungläubigsten und sogar der Teufel selbst von Gott gewandelt und erlöst, so dass die Hölle leer bleibt, und über kurz oder lang alle ins himmlische Reich eingehen. Die Vertreter dieser Lehre glauben nicht an eine ewige Verdammnis, nicht an Höllenqualen und auch nicht an einen Gott, der jemanden endgültig verwirft, denn sie meinen, das passe schlecht zu Gottes Liebe und Güte – zu dieser Güte passe aber viel eher ein grenzenloses Erbarmen, das keine Ausnahmen macht, sondern alle Geschöpfe einschließt und alle rettet… Nun, kennen Sie Leute, die an solch eine „Allversöhnung“ glauben? Oder glauben sie selbst daran? Wenn die Sache in ihrer Ohren zumindest „sympathisch“ klingt, kann ich das gut verstehen. Denn als der Sünder, der ich bin, wünschte ich mir auch, dass es keine Hölle gäbe. Es wäre sehr beruhigend. Und als Pfarrer hätte ich es leichter, denn mit einem Gott, der alle amnestiert, wären alle Menschen einverstanden. Wenn er am Ende sowieso alle begnadigt, könnten wir uns entspannen, mit der Mission wäre es nicht so dringend, und mit der Nachfolge nicht so ernst. Man könnte dann sagen: „Nehmt’s leicht, am Ende wird alles gut – sogar für die Bösen!“ Doch bevor wir uns in die neue Lehre allzusehr verlieben, sollten wir kurz nachdenken. Denn in der evangelischen Kirche haben wir nicht zu predigen, was gefällt, sondern was geschrieben steht. Und das hat den einfachen Grund, dass wir über Himmel und Hölle nichts aus eigener Erfahrung wissen, sondern davon überhaupt nur wissen können, was Gott uns offenbart. Niemand kann uns über den Ausgang der Geschichte Auskunft geben, außer dem, der den Jüngsten Tag herbeiführt. Und das ist Gottes Sohn, der heute zur Rechten Gottes sitzt und dann kommen wird, um zu richten die Lebenden und die Toten. Von ihm beziehen wir unsere Weisheit! Christen glauben nicht, was ihnen einfällt, sondern was Christus sie lehrt! Darum müssen wir an diesem Punkt das Neue Testament aufschlagen und nachsehen, ob wir die Lehre von der Allversöhnung darin finden. Lehrt Jesus eine „Generalamnestie“ für alle Menschen, oder lehrt er sie nicht? In Matthäus 5,22 warnt Jesus jedenfalls vor dem „höllischen Feuer“ und in den Versen 29 und 30 empfiehlt er, sich schleunigst von allem zu trennen, was zum Abfall verführt, damit nicht unser ganzer Leib „in die Hölle geworfen werde“. Ähnliche Warnungen vor der Hölle und dem „ewigen Feuer“ finden wir in Matthäus 10,28 und 18,8-9. Wenn also Jesus gemeint hätte, dass es einen solchen Ort der Verdammnis gar nicht gäbe, warum sollte er so oft davon reden? Jesus ist noch nicht einmal der Ansicht, dass eine Mehrheit gerettet wird, und nur wenige verloren gehen, sondern er sagt in Matthäus 7,13-14: „Geht hinein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und viele sind's, die auf ihm hineingehen. Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind's, die ihn finden!“ Gottes Sohn redet da ganz klar von zwei Pforten, von denen nur die engere zum Leben führt. Und wenn es nur wenige sind, die dort hindurchgehen, muss sich die Mehrheit doch wohl auf dem breiten Weg in die Verdammnis befinden. Würde Jesus nicht mit einem doppelten Ausgang der Geschichte rechnen, hätte er sich hier wirklich ungeschickt ausgedrückt, und eine Korrektur wäre spätestens in den Gleichnissen Jesu zu erwarten. Aber was lesen wir? Nachdem er seinen Jüngern das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen erzählt hat, erklärt er es folgendermaßen: „Der Menschensohn ist's, der den guten Samen sät. Der Acker ist die Welt. Der gute Same sind die Kinder des Reichs. Das Unkraut sind die Kinder des Bösen. Der Feind, der es sät, ist der Teufel. Die Ernte ist das Ende der Welt. Die Schnitter sind die Engel. Wie man nun das Unkraut ausjätet und mit Feuer verbrennt, so wird's auch am Ende der Welt gehen. Der Menschensohn wird seine Engel senden, und sie werden sammeln aus seinem Reich alles, was zum Abfall verführt, und die da Unrecht tun, und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird Heulen und Zähneklappern sein. Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich. Wer Ohren hat, der höre!“ (Matthäus 13,37-43) Das klingt nicht gerade nach Allversöhnung und „General-amnestie“, sondern es geht wieder um die Scheidung zweier Gruppen, denen Unterschiedliches bevorsteht! Und noch im selben Kapitel erzählt Jesus ein zweites Gleichnis, das ebenso eindeutig ist wie das erste. Er sagt: „Wiederum gleicht das Himmelreich einem Netz, das ins Meer geworfen ist und Fische aller Art fängt. Wenn es aber voll ist, ziehen sie es heraus an das Ufer, setzen sich und lesen die guten in Gefäße zusammen, aber die schlechten werfen sie weg. So wird es auch am Ende der Welt gehen: Die Engel werden ausgehen und die Bösen von den Gerechten scheiden und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird Heulen und Zähne-klappern sein.“ (Matthäus 13,47-50) Das Gleichnis von der königlichen Hochzeit (Matthäus 22,1-14) hat denselben doppelten Ausgang. Da werden ganz viele Gäste zum Fest geladen, aber der eine, der kein hochzeitliches Gewand anhat, wird gebunden und in die Finsternis hinausgeworfen. Jesus gibt zu verstehen, es werde mit dem Himmelreich auch so sein, dass nicht unterschiedslos alle hineinkommen, sondern dass eine Auswahl stattfindet. Und in Matthäus 7,21 sagt er es ausdrücklich: „Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.“ In Kapitel 10,22 heißt es „Wer bis an das Ende beharrt, der wird selig werden.“ Jesus sagt nicht, jeder werde selig werden, auch wenn er nicht beharrt! Und in Matth. 12,32 spricht er von einer speziellen Sünde, die „weder in dieser noch in jener Welt“ vergeben wird. Wenn aber nicht jede Sünde vergeben wird, wie sollten dann alle Menschen selig werden? Jesus rechnet offenbar nicht damit, dass alle gerettet werden. Gott sagt am Ende nicht: „Schwamm drüber – ihr seid mir alle recht!“, sondern er scheidet die Menschheit sorgsam in zwei Gruppen. Und Jesus bestätigt in Matthäus 24,40-41, dass die Scheidung beim Kommen des Menschensohns mitten durch die natürlichen Gemeinschaften hindurchgeht: „Dann werden zwei auf dem Felde sein“ – sagt er – „der eine wird angenommen, der andere wird preisgegeben. Zwei Frauen werden mahlen mit der Mühle; die eine wird angenommen, die andere wird preisgegeben.“ Bei den klugen und törichten Jungfrauen (Matthäus 25,1-13) läuft es auf dasselbe hinaus, weil zwar alle auf den Bräutigam warten, aber die einen haben Vorrat an Öl und gehen mit zur Hochzeit hinein, und die anderen kommen zu spät und bleiben draußen vor verschlossenen Türen. Klingt das, als hätte Jesus die Allversöhnung gelehrt, und eine Möglichkeit, den Himmel zu verpassen, gäbe es gar nicht? Wer noch zweifelte, was Jesus meint, könnte zuletzt das Gleichnis vom Weltgericht lesen (Mt 25,31–46), in dem beschrieben wird, wie der Menschensohn kommen wird, um die Völker zu richten. Er wird sie voneinander scheiden wie ein Hirte die Schafe von den Böcken scheidet, und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken. Denen zur Rechten sagt er: „Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!“ Und denen zur Linken sagt er: „Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!“ Ich will sie nicht mit noch mehr Bibelstellen langweilen, die alle dasselbe besagen. Denn weder Jesus, noch sonst jemand im Neuen Testament lehrt, dass alle Menschen gerettet würden, sondern Jesus und die Seinen rechnen damit, dass Sünder, die nicht im Glauben das Heil ergreifen, auf ewig verloren sind. Es ist nicht wahrscheinlich, dass Jesus sich an so vielen Stellen immer wieder ungeschickt ausdrückt. Und es ist noch viel weniger anzunehmen, dass er seine Jünger bewusst täuscht. Wäre die Hölle keine Realität, so hätte Jesus das dementiert. Wenn er’s aber ausdrücklich bestätigt – wer will sich dann heraus-nehmen, über diese Dinge besser Bescheid zu wissen als Gottes Sohn selbst? Hat jemand mehr Erfahrung mit Himmel und Hölle als Gottes eigener Sohn, der vom Himmel zur Erde kam, von uns Menschen gekreuzigt und „zur Hölle geschickt“ wurde, der von dort auferstand, gen Himmel fuhr und einst zurückkommen wird, um zu richten die Lebenden und die Toten? Freilich: Manche Theologen wissen es besser als Gottes Sohn. Die sind klüger als das Neue Testament und verkünden heute, die Hölle sei nur ein Mythos, mit dem man Kinder erschreckt, und in Wahrheit sei Gott viel zu lieb, um jemand ewig zu strafen. Wenn Jesus das Gegenteil sagt – na, wer ist schon Jesus? Diese Theologen wissen anscheinend mehr über Gott als Gott selbst. Und wenn das Neue Testament hundert Mal einschärft, es sei bitter ernst mit dem Gericht, lachen sie immernoch darüber, weil sie ja Gott besser kennen und wissen, dass seinem Wesen gar nichts anderes entspricht als unendliche Milde und grenzenloses Erbarmen…
Nun, das wird ein böses Erwachen geben. Darum machen wir uns besser noch mal klar, aus welcher Quelle sich theologisches Wissen speist: Wir würden Gott nur von ungefähr und in seinem Wesen überhaupt nicht kennen, wenn er sich nicht in Christus offenbart hätte. Und wir kennen Christus nur durch das Neue Testament. Wenn Christus aber im Neuen Testament durchgängig von Gericht und Verwerfung redet, sollten wir das besser als Tatsache hinnehmen und akzeptieren. Für die Allversöhnung lassen sich nur ein paar Verse aus paulinischen Briefen anführen, die scheinbar (wenn man sie aus dem Zusammenhang nimmt) von universalem Heil reden (Röm 5,18-19, Röm 11,32, 1. Kor 15,22-28, Phil 2,9-11, Kol 1,19-20, 1. Tim 2,4). Dass diese Verse aber anders zu verstehen sind, beweist Paulus selbst, wenn er in Röm 2,1-16 ganz unmissverständlich einem doppelten Ausgang des Gerichts voraussetzt. Blättern wir noch bis zur Offenbarung des Johannes, so bestätigt auch sie es im Ganzen wie im Einzelnen: Es gibt jenen „feurigen Pfuhl“ (Offb 20,11-15). Wer es bestreiten will, muss neben Jesus und Paulus auch Johannes zum Lügner erklären! Wagen wir das aber nicht, so lautet die weiterführende Frage nicht mehr „ob“, sondern „wie“ die Hölle ist… Oder wollen wir das gar nicht so genau wissen? Natürlich liegt es nah, zuerst an leibliche Schmerzen zu denken, wie sie die mittelalterliche Malerei zur Genüge dargestellt hat. Doch die Hölle ausschließlich als physische Folter zu beschreiben, dürfte genauso falsch sein, wie wenn man sich den Himmel als Schlaraffenland vorstellt. Denn so wie es in Gottes Reich nicht vorrangig um Essen und Trinken und leibliche Genüsse geht, wird die Hölle nicht allein in leiblichen Schmerzen bestehen. Was den Himmel so herrlich macht, ist die unverstellte Gemeinschaft mit Gott. Seine pure Gegenwart ist es, die die Seligen selig macht! Und im Umkehrschluss kann man sich die Hölle als ein Zustand denken, in dem genau diese Gegenwart Gottes fehlt und unendlich vermisst wird. Viele Gleichnisse Jesu laufen ja darauf hinaus, dass die Verlorenen aus der Heilsge-meinschaft ausgeschlossen werden, daran nicht teilhaben können und in einem schrecklichen Sinne „draußen stehen“. Dieses „Draußenstehen“ aber erst zu begreifen, wenn‘s nicht mehr zu ändern ist, das dürfte die größte Qual der Verdammten sein. Sie erleiden nicht irgendwas, sondern erleiden die Gottesferne, die sie selbst gewählt und zementiert haben. Sie verharren trotzig im Widerspruch zu Gott – und wissen zugleich, dass dieser Widerspruch nie zu etwas führen kann. Sie haben sich von Gott als der Quelle des Lebens abgeschnitten – und sterben nun ohne Ende. Sie haben sich von Gott als dem Inbegriff der Wahrheit getrennt – und damit ihr Dasein in einen Irrtum verwandelt. Sie haben Gott als dem Inbegriff der Liebe abgewiesen – und frieren nun in der Kälte ihrer eigenen Herzen. Sie haben sich vom Licht weg dem Dunkel zugewandt – und tappen nun in Finsternis. Sie sehen die Quelle sprudeln – sind aber zu fern, um ihren Durst zu löschen. Sie ahnen gewiss, welcher Friede bei Gott herrscht – haben aber niemals Anteil daran und bleiben ewig friedlos, denn Gott entlässt sie nicht aus dem Dasein, sondern erhält sie in einer Existenz, die nur aus Distanz und Defizit besteht. Und das ist angemessen. Denn wenn Sünde ihrem Wesen nach nicht „Unmoral“ ist, sondern eine viel tiefere „Trennung von Gott“, dann besteht die passende Strafe genau darin, von Gott getrennt zu sein. In der Trennung liegt die Schuld und zugleich die angemessene Strafe. Denn es ist die Hölle, draußen zu stehen und zu sehen, wie drinnen im Himmel gefeiert wird – ja, draußen zu stehen mit der Gemeinschaft vor Augen, zu der man eingeladen war, und die man ausgeschlagen hat. Es ist die Hölle, einen Gott zu hassen, der doch ewig Recht behält, und sich durch eben diesen Hass immer noch mehr auszuschließen von allem, was gut sein könnte. Und es ist eine Hölle, die der Mensch sich selbst bereitet, denn den Horror einer gegen Gott gerichteten Existenz haben wir Menschen selbst erfunden. Seit Adam und Eva träumen wir davon, uns dem Schöpfer gegenüber selbständig zu machen. Und die „Hölle“ ist einfach nur der fragwürdige Erfolg dieses Projektes, dass nämlich jene, die sich von Gott als der Quelle des Guten lösen und entfernen wollten, tatsächlich fern von allem Guten ein schauriges Dasein fristen. Quälend wird die Erinnerung sein, dass man ein Leben lang die Hand Jesu Christi ausschlug, die man nur hätte ergreifen müssen, um gerettet zu werden. Und man wird sich für diesen Widersinn hassen, weil man nicht bloß „irgendwas“ verloren hat, sondern Gott verloren hat, dem nahe zu kommen das eigentliche Ziel unseres Lebens gewesen wäre…
Da wird sein „Heulen und Zähneklappern“, sagt Jesus. Wenn wir aber Grund haben, das als Warnung ernst zu nehmen – warum lässt man die Botschaft nicht einfach stehen? Warum flüchten so viele in die unbiblische Illusion der „Allversöhnung“? Alles spricht dafür, dass es diesen Ort gibt, wo selbst das Beten keinen Sinn mehr macht, weil Gott nicht mehr hinhört. Und trotzdem: Befragt man die Theologie der Gegen-wart, hört man tausend Erklärungen, weshalb die Hölle nicht existieren könne, oder wenigstens nicht so, nicht auf die Dauer oder nur für ganz wenige. Man bemüht sich wegzuerklären, was glasklar geschrieben steht! Doch wenn wir den Gedanken an die Strafe so sehr fürchten, warum fürchten wir nicht gleichermaßen die Schuld, aus der sie resultiert? Scheuen wir die Hölle so sehr, warum scheuen wir dann nicht die Sünde? Schreckt uns diese Wirkung, warum meiden wir nicht die Ursache? Wir regen uns auf, wenn Gott jemand aus seiner Gemeinschaft ausschließt und verwirft. Wenn derselbe Mensch aber zuvor Gott aus seinem Leben ausgeschlossen und Gottes Wort verworfen hat, dann regt uns das nicht auf? Wir verneinen Gott, wenn er aber seinerseits uns verneint, dann ist das ein Skandal? Wir dürfen ihn ignorieren, wenn er aber dasselbe mit uns macht, dann ist er ein Tyrann? Das ist verräterisch, denn es zeigt, dass wir nicht die menschliche Gottlosigkeit schlimm finden, sondern es nur schlimm finden, wenn sie Folgen hat. Wir scheuen gar nicht das Unrecht, sondern nur die Strafe. Und darum wenden wir tausend Künste auf, die Hölle aus der Bibel heraus-, und die Allversöhnung hineinzulesen. Menschlich verständlich mag das sein: Der Raucher will ja auch nichts von Lungenkrebs hören, der Trinker nichts von Leberzirrhose, und der Junkie nichts vom Drogentod. Genauso empören wir Sünder uns, wenn man uns mit der Hölle kommt. Wir sind da wie Kinder, die einem hungrigen Löwen begegnen und sich schnell die Augen zuhalten, weil sie sich ja sonst fürchten müssten. Nur: Verschwindet davon der Löwe? Verschwindet die Hölle, weil wir uns weigern, an sie zu glauben? Tun wir’s lieber – und danken wir Christus umso mehr, dass er uns vor ihr retten will! Glauben wir uns hindurch zu der Zuversicht, dass wir um Christi willen nicht bekommen, was wir verdienen! Allerdings bleibt auch dann noch ein Problem bestehen. Denn selbst wenn wir uns für die eigene Person unseres Heils gewiss sind, muss es uns immernoch schaudern beim Gedanken an die Verdammnis der Anderen, die nicht zum Glauben finden. Wir wären schlechte Christen, wenn uns ihr Schicksal kalt ließe! Aber wollen wir das Problem wieder lösen, indem wir Ausflüchte suchen, von denen im Neuen Testament nichts geschrieben steht? Ich gebe zu, dass die Versuchung groß ist. Auch ich stelle mir manchmal vor, wie die Erlösten im Himmel von Mitleid ergriffen eine Delegation zu Gott schicken und ihn in aller Demut bitten, die ewige Qual der Verdammten in ein ewiges Nicht-Sein zu wandeln, sie also nicht unbegrenzt in der Existenz festzuhalten, sondern irgendwann die Unglücklichen selbst (und damit ihre Leiden) verlöschen zu lassen. Davon steht nichts in der Bibel, es ist nur ein Traum von mir! Ich stelle mir vor, wenn eine große Zahl von Heiligen und Erlösten bei Gott vorstellig würde, mit der Bitte, die Nicht-Rettbaren aus der höllischen Qual ins Nichts-Sein zu entlassen, so dass ihr bewusst-endloses Sterben in einen bewusstlos-ewigen Tod mündete, dass (wenn diese Fürbitte bei Gott Gehör fände) zwar nicht „alle versöhnt“ würden, aber doch zumindest alle, die übrig bleiben – und es ewig Unversöhnte nicht mehr gäbe… Doch ist das nicht viel mehr als eine Phantasie, die man sich zurechtlegt, um sich eine ewige Dauer der höllischen Pein nicht vorstellen zu müssen. Und derselbe Einwand ist dagegen geltend zu machen, wie gegen die Idee der Allversöhnung: Wenn Jesus gewollt hätte, dass seine Jünger sich mit solchen Hoffnungen beruhigen, hätte er selbst davon gesprochen und entsprechende Möglichkeiten angedeutet. Tat er das aber nicht, so müssen wir unsere Phantasien zügeln, müssen sie strikt von der biblischen Lehre unterscheiden und bei den harten Fakten stehen bleiben: Die Heilige Schrift spricht von einer Hölle, aus der es keinen Ausweg gibt – und niemand von uns weiß es besser. Darum: Reden wir uns nicht ein, es werde schon nicht so schlimm kommen, und Gott würde mit dem Gericht nicht ernst machen, sondern folgen wir lieber den Weisungen Jesu, der uns die Hölle ersparen will. Verdrängen wir nicht die Gefahr, sondern ergreifen wir die Hilfe, die uns geboten wird. Und leisten wir unseren eigenen Beitrag dazu, dass es in der Hölle nicht gar so voll wird. Warnen wir alle, die eine Hölle nur noch aus albernen Comics kennen. Und lassen wir uns dafür ruhig auslachen. Denn jene, die noch rechtzeitig begreifen, dass mit Gott nicht zu spaßen ist, werden uns für diese Warnung ewig dankbar sein. Ja, Gott helfe uns, dass wir auch in dieser Hinsicht Boten seiner Wahrheit sind und wenigstens noch diesen oder jenen von der breiten Straße herunterholen, die in die Verdammnis führt…