ZEIT

 

„Kein Ding geht, ehe die Stunde gekommen ist, die Gott bestimmt hat. Daher ist alles menschliche Ratschlagen, alles Denken, Dichten, Trachten nur ein Schemen und Schatten, bloß wie Spiegelfechterei, es sei denn, die Sache ist im Himmel auch beschlossen. Es mögen Könige, Fürsten, Herren Rat halten, alles abreden, wie sie wollen; welcher Sache Stündlein gekommen ist, die geht, die andern bleiben stehn, hindern und stauen sich. Und wenn es auch so scheint, es werde jetzt geschehen, so wird doch nichts daraus, bis dass auch ihre Stunde kommt, wenn sich gleich alle Menschen auf Erden anstrengten. Kurzum, Gott will sich von den Königen, Fürsten und Herren oder Weisen auf Erden den Zeiger nicht stellen lassen. Er will ihn stellen; wir sollen ihm nicht sagen, was es geschlagen hat. Er will es uns sagen (…). Gott hat allem sein Stündlein bestimmt, reich sein, arm sein, leben, sterben usw. (Pred. 3,1-8). Verachten wir das Stündlein und meinen, es soll uns nach unserem Willen gehen, so wird nichts daraus, und wir haben nichts als Jammer davon. Darum sollen wir – jeder in seinem Stande – die befohlene Arbeit und Aufgabe tun, alle Sachen Gott anbefehlen und das, was uns Gott jetzt in die Hand gibt, fröhlich gebrauchen, das Zukünftige Gott von Herzen zu lenken anbefehlen. Die anders tun (...), die haben nichts als Unglück und Herzeleid davon und mögen zürnen und murren, solange sie wollen, Gott beachtet es nicht.“ (Martin Luther)

 

„Niemand verbringe die kostbare Zeit mit leerem Geschwätz. Das Wort fliegt und lässt sich nicht zurückrufen, die Zeit fliegt und kommt nie wieder. Ein Tor bedenkt nicht, was er verliert. Wir wollen plaudern, sagt man, bis die Stunde vorüber ist. Also bis die Stunde vergeht, welche dir der erbarmungsvolle Schöpfer noch schenkt, damit du Buße tun, Gnade finden und zur Seligkeit gelangen mögest; bis die Zeit vorübereilt, in welcher du Gottes Liebe gewinnen, zur Gemeinschaft der Engel fortschreiten, nach dem verlorenen Erbteil seufzen, den schlaffen Willen anspannen und das begangene Unrecht beweinen solltest! Siehst du denn, dass Landleute, wenn günstiges Wetter zum Säen ist, oder Winzer, wenn es not ist, den Wein zu beschneiden, sich noch freuen, wenn sie den Tag in Sorglosigkeit verbracht haben? Siehst du, dass Krämer, wenn der Jahrmarkt bevorsteht, die Hände in den Schoß legen? Suchen arme Bettler, wenn Almosen verteilt wird, etwa nach Winkeln in den Straßen, um sich zu verstecken? Und wenn es nur damit sein Bewenden hätte, dass die Zeit des Lebens verloren ginge; aber viele verlieren damit das Leben selbst, und nicht bloß dies, sie rauben es auch ihren Brüdern.“ 

Bernhard (+1153)