EITLES STREBEN

 

„Die Welt verheißt nur zeitliche und unbedeutende Güter und hat doch die eifrigsten Diener. Gott verheißt das allerhöchste und ewige Gut, und die Herzen der Menschen bleiben kalt und träge dabei. Die Unverständigen! Für nichtswürdige Dinge laufen sie sich müde, zanken und balgen sich auf niederträchtige Weise um ein Groschenstück, mühen und plagen sich Tag und Nacht, um irgendeine verheißene Kleinigkeit, ein täuschendes Nichts zu erhaschen. Aber, o Schande! Für ein Gut, das ewig währt, für eine Belohnung, die unschätzbar ist, für die höchste Ehre, für eine Herrlichkeit, die kein Ende nimmt, sich auch nur ein wenig zu bemühen, ach, dazu sind sie viel zu träge.“ (Thomas von Kempen)

 

„Seht an der Welt Spiel! Ich hatte einen Schatten umfangen, ich hatte mich einem Traume vermählt, ich hatte den Wahn erkoren. Ach, wo ist nun des Wahnes Bild, des Traumes Gelübde, des Schattens Gestalt? Hatte ich dich, o Welt, tausend Jahre besessen, wie wäre es nun als ein Augenblick dahin. Deine Natur ist ein Dahinscheiden: ich wähnte, ich hätte dich umfangen – ach wie bist du mir nun verschwunden! Wer dich nicht zuvor lässt, den lässt du, o Mörderin. So lebe nun wohl! Im Herrn habe ich Reichtum genug; Gewalt, so viel ich will. Hätte ein Mensch tausend Leben, sollte er sie daran wagen, um Gottes Liebe zu erwerben, der unser Herz haben will. Nie hat ein durstiger Mund sich so heiß nach einem kühlen Brunnen, noch ein sterbender Mensch sich nach den fröhlichen Lebenstagen gesehnt, als er sich sehnt, den Sündern zu helfen. Eher mag man die vergangenen Tage wiederbringen, eher alle verdorrten Blumen wieder grün machen, und alle Regentröpflein wieder sammeln, ehe man seine Liebe zu allen Menschen ermessen mag.“ 

Suso (+1366) 

 

„Ich sehe, wie das Geschlecht der Menschen vom Aufgang bis zum Niedergang der Sonne den Markt dieser Welt durchstreift. Einige suchen nach Reichtümern, andere nach Ämtern und Würden, noch andere nach eitlem Ruhm? Was soll ich von den Reichtümern sagen? Werden sie nicht mit Mühe erworben, mit Furcht besessen und mit Schmerz verloren? Siehe, welche Arbeit machst du dir um vergänglicher Güter willen! Obwohl du nach des Weisen Ausspruch nur drei Finger breit vom Tod bist, fährst du über das Meer, fliehst das Vaterland, lässt die Eltern, scheidest von Weib und Kind, vergisst alle Bande der Freundschaft, um zu suchen, was du sammelst, um zu sammeln, was du verlierst, um zu verlieren, was du beklagst. Menschenkinder, wie lange wollt ihr trunken sein, wie lange wollt ihr das Eitle lieben? Was soll ich von großen Würden sagen? Du bist in ein hohes Amt gesetzt, man hat dich an die Spitze bedeutender Angelegenheiten gestellt. Welche Rechenschaft wird Gott von dir fordern, wie wirst du von Menschen beobachtet, wie tritt alles auf, um gleichsam an dir zu ziehen und zu reißen! Wer kann auf Höhen ohne Wehen, in Würden ohne Bürden sein? Wo soll dein Ruhm herkommen, du Staubgeborener, du Bewohner der lehmernen Hütte, du unreines Gefäß? Nicht dir, nicht dir, dem Namen des Herrn gebührt Ehre. Kannst du auch deinen Ruhm suchen, ohne den Neid gegen dich aufzuwecken? Siehe auf die hin, über die du dich stellst und merke, wie vielen Samen der Missgunst du gestreut hast, wie man dich überall mit scheelen Blicken betrachtet. Was dir schmeichelt, bringt dir Hass; was dich hebt, drückt dich nieder. Das sind nun die Waren, um deren Ankauf sich die Toren mühen und plagen; der Weise aber dreht dem Kram seinen Rücken, bindet sich die Weltverleugnung darauf und geht davon.“ 

Bernhard (+1153) 

 

„O teuerste Seele, was ist das Weltliche anderes als ein eitler Traum, und was hat Stolz oder prunkender Reichtum seinen Freunden genützt? Vorübergegangen ist alles wie ein Schatten, wie ein Schiff, welches durch wogendes Wasser fuhr, ohne dass man seine Spur finden könnte. Wo sind die Fürsten der Völker und die geherrscht haben über die Tiere, so auf Erden sind? die Silber gesammelt und Gold gehäuft, Städte und Lager erbaut, Könige und Reiche in Schlachten besiegt haben? Wo ist Salomo mit seiner Weisheit, Alexander mit seiner Macht, wo Simson mit seiner Stärke, wo Absalon mit seiner Schönheit, wo der glorreiche Ahasverus, wo sind alle Kaiser mit ihrer Herrschaft? Was half ihnen der eitle Ruhm, die kurze Freude, die Macht der Welt, die große Dienerschaft, das Vergnügen des Fleisches, der trügliche Reichtum und das lockende Gelüst? Wo ist nun ihr Lachen, ihre Prahlerei und ihre Anmaßung? Darum: Adel der Geburt, Schönheit des Körpers, Blüte der Jugend, Pracht der Paläste, ja selbst die Weisheit dieser Welt – solches alles ist von der Welt und kann nicht lange bestehen. „Bist du klug,“ sagt Bernhard, „so höre auf, dem nachzujagen, das zu erreichen, traurig ist, dessen Besitz belästigt, dessen Liebe befleckt, dessen Verlust ängstet.“ 

Bonaventura (+1274) 

 

„Sauer, o Herr, wird mir dieses Lebens kummervolle Pilgerreise. Ist es doch ein elendes und hinfälliges, ein ungewisses, geplagtes und beflecktes Leben, das Unglück und Stolz in seinem Gefolge hat, voll von Jammer und Irrtum, eher Tod als Leben zu nennen. Durch Schmerzen wird es geschwächt, durch Hitze versiegt es, die Luft trägt ihm Krankheit zu, Speisen bringen ihm Überfüllung, Fasten Entkräftung, Ausgelassenheit wie Traurigkeit verzehren es. Durch Kummer wird es überreizt, durch Sorglosigkeit stumpf gemacht; Reichtümer stellen es zu hoch, Armut drückt es zu tief darnieder. Und auf dieses ganze Elend folgt der grausame Tod und macht allen Freuden desselben auf einmal so ein Ende, dass, wenn es aufgehört hat, man glauben möchte, es sei nicht da gewesen. Aber obwohl es an sich trüglich und bitter ist, wie dies selbst seinen blinden Liebhabern nicht entgehen kann, so tränkt es doch eine unendliche Menge von Toren aus dem goldglänzenden Becher, den es vor sich herträgt, und macht sie ganz taumelnd. Heil jenen Seltenen, die sich seiner Freundschaft entziehen und seine flüchtigen Freuden verachten, um nicht mit dem Betrüger zu Grunde zu gehen.“ 

Meditationes (Augustini)