Die Taufe begründet zwischen dem Christen und Jesus Christus eine enge Schicksalsgemeinschaft, die durch den Begriff der „Nachfolge“ charakterisiert wird: Die heutigen „Nachfolger“ und „Jünger“ Jesu teilen mit ihrem Herrn nicht mehr die staubigen Straßen Galiläas. Aber wie Christi Weg ins Leid führte, so bekommt auch der Christ sein Kreuz zu tragen. Und wie Christi Weg durchs Leid hindurch zum Triumph führte, so gewinnt auch der Christ Anteil an der Auferstehung.                                                                                                                                                

Nachfolge, Schicksalsgemeinschaft und Jüngerschaft

Woran hat Teil, wer an Christus teilhat?


Wer getauft ist, gehört kraft seiner Taufe zur Gemeinschaft der „einen, heiligen christlichen Kirche“ und darf sich „Christ“ nennen. Das ist allgemein bekannt. Was aber „Christ-Sein“ bedeutet, davon haben viele Menschen nur noch eine vage Vorstellung. Manche meinen, das Christentum sei ein Verein zur Pflege religiösen Brauchtums und zur Steigerung der Volksmoral. Und andere verstehen sich als Förderer eines Interessenverbandes genannt „Kirche“, dem sie gern als „passive Mitglieder“ angehören wollen, wie sie auch „passive Mitglieder“ im Gesangverein sind. Doch ist das natürlich Unsinn und ist viel zu harmlos gedacht. Denn aus unserer Taufe folgt nicht nur, dass unser Name in der Gemeindegliederkartei des Pfarramtes auftaucht. Sondern in Wahrheit wurden wir durch die Taufe Teil einer Schicksalsgemeinschaft. Ja durch die Taufe wurde unser persönliches Geschick verknüpft mit dem Geschick der Kirche, und es wurde vor allem verknüpft mit dem Herrn der Kirche – mit Jesus Christus, auf dessen Namen wir getauft sind. Wir sind Glieder des Leibes Christi (1.Kor 12,27) und sind an Christus dauerhaft gebunden, weil (in der Regel) unsere Eltern uns diesem Herrn anvertraut, uns unter seinen Schutz gestellt und uns ihm zu Eigen gegeben haben. Was für eine ernste Sache das aber ist, gilt es zu bedenken: Denn sein Schicksal mit dem Schicksal eines anderen verknüpft zu wissen – auf Gedeih und Verderb, wie man so sagt – das ist eine zweischneidige Sache. Auch und gerade dann, wenn dieser andere Jesus Christus heißt. Schicksalsgemeinschaften können nämlich etwas Fatales sein: Denken sie nur an einen Urlaubsflug. Sie besteigen das Flugzeug, und schon bilden sie mit den anderen Passagieren eine Schicksalsgemeinschaft. Sie sind dem Vermögen oder Unvermögen des Piloten ausgeliefert. Oder bauen sie irgendwo ein Haus. Schon gehören sie zur Schicksalsgemeinschaft ihres neuen Wohnortes. Wenn plötzlich daneben eine Autobahn oder eine Müllkippe gebaut wird, heißt es „mitgefangen – mitgehangen“. Oder heiraten sie in eine Familie ein. Auch da geraten sie in eine Schicksalsgemeinschaft. Der schlechte oder gute Ruf dieser Familie wird plötzlich auf sie übertragen. Die Feinde dieser Familie sind plötzlich ihre Feinde und die Freunde sind ihre Freunde. In allen diesen Fällen, kann uns die Zugehörigkeit zu einer Gruppe großes Glück oder großes Unglück bescheren, denn in allen diesen Fällen bringt Zugehörigkeit Verbindlichkeit mit sich. Und weil wir das wissen, sind wir vorsichtig mit solchen Dingen. Nur: Welche Art von Verbindlichkeit muten wir eigentlich Kindern zu, wenn wir sie in die Schicksalsgemeinschaft unserer Kirche einbinden? Und in welcher Verbindlichkeit stehen wir da selbst? Kennen wir überhaupt die Risiken und Chancen des Weges, auf den wir durch unsere Taufe geraten sind? Schlagen wir die Bibel auf, so beantwortet sie alle diese Fragen mit einem einzigen Wort. „Nachfolge“ heißt nämlich der Weg, der mit der Taufe beginnt. Und worin „Nachfolge“ besteht, das war jedenfalls zur Zeit Jesu eine anschauliche, leicht verständliche Sache: Denn Jesus zog über die Dörfer Galiläas. Er blieb mal hier und mal da. Bald aber wanderte er weiter. Und wer den Kontakt nicht verlieren wollte, der musste eben „nachfolgen“. Hatte ihn die Botschaft Jesu so sehr gepackt, dass er unbedingt in der Nähe dieses Mannes bleiben wollte, so musste er Haus und Hof zurücklassen und mit Jesus auf Wanderschaft gehen. Es war gewiss faszinierend, Jesu Taten zu sehen und immer mehr von seiner Lehre zu hören. Der Preis aber war, dass man das unstete Leben des Meisters teilen musste. „Nachfolge“ hieß darum: Ruhen, wenn Jesus ruht, und wandern, wenn Jesus wandert. Hinter sich lassen, was Jesus hinter sich lässt, und suchen, was er sucht. Ein Nachfolger zu sein, das hieß: mit Jesus lachen und mit Jesus weinen, mit ihm essen und mit ihm hungern, mit ihm reden und mit ihm schweigen. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, wie das damals aussah. Inzwischen allerdings trennen uns 2000 Jahre vom Erdenleben Jesu. Der Herr ist nicht mehr in Menschengestalt unter uns, so dass wir ihm zu Fuß folgen könnten. Und das wirft natürlich die Frage auf, worin Nachfolge heute besteht. Worauf lassen wir uns heute ein, wenn wir unsere Taufe bejahen und auch unsere Kinder taufen lassen? Begründen wir damit auch heute noch eine enge Schicksalsgemeinschaft mit Christus? Ja, im Grundsatz hat sich nichts geändert: Nachfolge besteht auch heute noch darin, den Weg Jesu mitzugehen und Freude und Leid mit ihm zu teilen. Nur: Was wir teilen, sind nicht mehr die staubigen Straßen Galiläas, sondern etwas anderes. Wer heute durch die Taufe in die Schicksalsgemeinschaft eintritt mit dem Gekreuzigten und Auferstandenen, für den bedeutet das, dass er teilhaben wird am Kreuz Christi und teilhaben wird an der Auferstehung Christi. Anders gesagt: Wer Christus nachfolgt, bekommt etwas zu leiden, wie sein Herr zu leiden hatte. Und er bekommt am Ende etwas zu jubeln, wie Christus am Ende zu jubeln hatte. Nicht mehr und nicht weniger werden wir kriegen als das Kreuz und den Sieg. Und eines werden wir nie ohne das andere kriegen. Denn wie könnte es unter Weggefährten anders sein? Wenn ein Jünger dem Herrn nachfolgt, gehen schließlich beide in dieselbe Richtung, auf demselben Weg, Seite an Seite. Wo dem Herrn kalter Regen ins Gesicht klatscht, da wird auch der Jünger nass und friert. Und wenn dem Herrn strahlende Sonne den Rücken wärmt, dann wird auch der Jünger warm und froh. Was aber ist der Regen, den Christus erduldete, und was ist die Sonne, die ihn wärmte? Nun, der hässliche Regen, das war der Widerstand, den Jesus erfuhr. Das Neue Testament berichtet ja ausführlich, wie ihm Pharisäer und Schriftgelehrte das Leben schwer machten. Sie erkannten im Gesandten Gottes immer mehr einen Störenfried. Und sie beschlossen, ihn schließlich zu beseitigen. Die Kreuzigung Christi war kein tragisches Missverständnis. Sie war der äußerste Widerstand des Bösen gegen Gottes Sohn. Es glaube aber keiner, dieser Widerstand sei heute erlahmt. Auch heute müssen wir damit rechnen, dass wir als Jünger Jesu etwas von diesem Widerstand zu spüren bekommen. Gerade dann, wenn wir gute Nachfolger sind und dicht dranbleiben an dem, was der Herr will, kann das gar nicht ausbleiben. Als Christ darf man sich darum nicht wundern, wenn man seine persönliche, moderne Passion erlebt und sein persönliches, modernes Kreuz zu tragen bekommt. Jeder, der die Fronten wechselt und sich auf die Seite des Guten stellt, macht sich damit das Böse zum Feind. Und wer mit dem Teufel keine Kompromisse mehr schließt, dem ist auch der Teufel ein kompromissloser Gegner. So wenig sich nämlich der Christ mit dem gottlosen Treiben dieser Welt abfinden kann, so wenig können sich die, die „Gott - los - sein“ wollen, mit dem Dasein der Christen abfinden. Und wo sie können, werden sie es uns spüren lassen. Nicht unbedingt mit der Deutlichkeit der Hammerschläge, die Christus am Kreuz spürte. Aber doch so, dass es wehtut. So, dass wir merken: Die Schicksalsgemeinschaft mit Jesus Christus ist immer auch Leidensgemeinschaft. Doch Gott sei Dank ist sie nicht nur das. Sind wir Weg-gefährten und Nachfolger Christi, gehen wir an seiner Seite, so wärmt uns auch, was ihn wärmt – und wir werden gekräftigt durch die Kraft, die in ihm wohnt. Denn haben wir Anteil an seinem Kreuz, wie sollten wir nicht auch Anteil bekommen an seiner Auferstehung? Wenn wir den Weg gehen, den er geht, wie sollte da nicht auch unser Weg durch Leiden hindurch zur Seligkeit führen, so wie seiner? Gewiss verliert, wer in dieser Welt ein Nachfolger Christi sein will, die Freundschaft derer, die im alten Fahrwasser der Sünde und des Unglaubens bleiben. Aber dieser Verlust kann aufgewogen werden durch die Glaubensgeschwister an unserer Seite, und durch die Freundschaft Gottes, die der Christ gewinnt. Bekennen wir uns zu Gottes Sohn, so bekennt er sich auch zu uns und gewährt uns seinen Schutz und seine Hilfe. Tragen wir sein Kreuz mit ihm, so erweist sich inmitten aller Schwäche seine Gnade als mächtig und gibt uns am Ende seine Siegesfahne in die Hand. Denn schließlich hat er nicht im eigenen Interesse mit den Mächten der Finsternis gerungen, sondern für seine Jünger hat er es getan. Und nicht für sich ist er durch die Mauer des Todes hindurchgebrochen, sondern für die, die ihm nachfolgen. Er zahlte den hohen Preis, der nötig war, um uns den Weg ins Reich Gottes zu bahnen – wir aber haben den Vorteil davon, dass wir uns schon heute „Kinder Gottes“ nennen dürfen. Bleiben wir dicht an Christus dran und wandern wir in seinen Fußstapfen, dann dürfen wir eines Tages auch mit ihm einziehen in sein Reich. Bleiben wir im Windschatten unseres Herrn, so kann uns keiner mehr was – Gott sei‘s gedankt. Ich denke, damit ist deutlich geworden, welche Risiken und welche Chancen es birgt, wenn jemand sich bewusst in die Schicksalsgemeinschaft der Kirche stellt. Dass die Nachfolge Christi kein Spaziergang ist, hat Christus selbst oft genug gesagt. Sie ist auch nicht billiger zu haben. Und doch ist die Schicksalsgemeinschaft mit Christus das Beste unter den guten Dingen dieser Welt. Denn Christus verspricht uns zwar keine sanfte Reise – aber er verspricht uns eine sichere Landung. Und darauf kommt es an…