Die Mission steht heute in keinem guten Ruf. Doch weil sie Gottes eigenes Projekt ist, haben wir nicht das Recht, auf Mission zu verzichten. Gott will dass sein Haus voll werde und sendet uns als seine Boten aus. Wenn sich aber irgendwann die Türen schließen und jemand bliebe draußen, weil wir ihn nicht benachrichtigt haben, wäre das schlimm. Schon die Nächstenliebe macht uns die Mission zur Pflicht, denn wenn ein Verdurstender in der Wüste Wasser gefunden hat, ist es nur natürlich, dass er auch andere Verdurstende herbeiruft und sie zur Quelle führt.
Pflicht oder Fehlgriff?
Wer interessiert sich heute noch für das Thema “Mission“? Gewiss – vor hundert Jahren hatten Missionsfeste großen Zulauf. Die Menschen lauschten gern den Berichten der Missionare, die aus Afrika, Indien oder China zurückkamen. Doch heute hat der Begriff der Mission für viele Menschen einen üblen Klang. Und die Art und Weise, wie Europäer in den überseeischen Kolonien gewirkt haben, wird kritisch gesehen. War da nicht viel Arroganz im Spiel, als die weißen Herren den sogenannten „Wilden“ ihre europäische Kultur und Lebensweise aufdrängten? Hat man die sogenannten „Eingeborenen“ nicht ihrer eigenen Tradition entfremdet und sie in Abhängigkeit gebracht – militärisch, wirtschaftlich, politisch und kulturell? Auch christliche Missionare waren ein Teil des Systems, das man „Kolonialismus“ nennt – manchmal freiwillig und manchmal unfreiwillig. Und so haftet dem Begriff der Mission heute ein schaler Beigeschmack an. So unpopulär ist „Mission“ geworden, dass viele Kirchenleute den Begriff vermeiden und lieber vom „Dialog der Religionen“ sprechen. Sie wollen fremden Völkern gegenüber nicht als „Besserwisser“ auftreten und wollen erst recht niemand mehr „bekehren“. Denn sie sind längst nicht mehr sicher, dass der christliche Weg, der für sie selbst richtig sein mag, automatisch auch für alle anderen Völker richtig ist... Haben diese Leute mit ihrer Zurückhaltung vielleicht Recht? Und sollten wir darum besser auf Mission verzichten? Sollten wir – weil unsere Väter und Vorväter bei der Erfüllung des missionarischen Auftrages Manches falsch gemacht haben – lieber die Finger davon lassen? Oder sollten wir eine Herausforderung darin sehen, es künftig besser zu machen? Ich denke, es bleibt uns gar nichts übrig, als diesen zweiten Weg zu gehen. Denn der Ursprung der Mission liegt ja gar nicht in uns, sondern in Gott. Nicht unser Wille ist es zuerst, dass das Evangelium in der ganzen Welt gepredigt werde, sondern Gottes Wille. Und damit ist die Frage schon entschieden. Denn wenn es nur unsere Idee wäre und unser Projekt, dann dürften wir es getrost fallenlassen. Wenn die Mission aber Gottes eigenes Projekt ist, für das er uns in Dienst nimmt – wie dürften wir uns dann entziehen? Das Neue Testament lässt keine Zweifel daran, dass es Gott mit seiner Einladung Ernst ist. Gott will, dass sein Haus voll wird. Er sendet uns als Boten aus, um alle einzuladen. Und wenn die Eingeladenen nicht kommen wollen, weil sie angeblich zu beschäftigt sind, dann sendet Gott uns nochmal hinaus auf die Straßen und Gassen, um auch die Armen, Blinden und Lahmen herbeizuholen. Gott will, dass sein Haus voll werde! Und gerade auch die Fernsten, auch die in den entlegenen Winkeln der Welt, sollen seinen Ruf hören. Jeder soll eine Chance haben, in Gottes Reich einzugehen, für jeden hält Gott einen Stuhl frei an seinem Tisch. Wir aber, die wir seine Boten sein sollen – eben das ist „Mission“! –, wollen wir wirklich dafür verantwortlich sein, wenn jemand die Einladung nicht hört, bloß weil wir zu leise oder zu undeutlich gesprochen haben? Ich jedenfalls möchte diese Verantwortung nicht übernehmen. Denn wenn jemand Gottes Einladung hört und sie ausschlägt, ist das schlimm genug. Irgendwann ist Gottes Haus voll und die Türen werden geschlossen. Wenn dann aber jemand draußen stünde, weil wir ihn nicht benachrichtigt habe – wäre das nicht furchtbar? Darum ist es undenkbar, dass wir schweigen und Gottes Wort für uns behalten. Denn wenn ein Verdurstender in der Wüste Wasser gefunden hat, wird er dann nicht auch andere Verdurstende zur Quelle führen? Wenn ein Todkranker einen Arzt gefunden hat, der ihn heilen konnte, wird er dann nicht anderen Todkranken die Adresse verraten? Wenn ein Sünder Vergebung erlangt hat, wird er dann nicht den anderen zeigen, wo auch sie Vergebung erlangen können? So ist Mission die natürlichste Sache der Welt. Und selbst wenn wir nicht den ausdrücklichen Befehl Jesu hätten „Gehet hin, und machet zu Jüngern alle Völker“, müssten wir uns wohl aus eigenem Antrieb aufmachen, um die gute Nachricht auszubreiten. Denn groß ist um uns her die geistliche Not. Und sind die Bäuche auch voll, so sind doch viele Seelen hungrig. Die Menschen suchen nach Liebe – und man speist sie ab mit Nettigkeiten. Sie suchen Visionen – und man verweist auf Parteiprogramme. Sie suchen Wahrheit – und man überschüttet sie mit Meinungen. Sie suchen Freude – und man bietet ihnen Belustigung. Sie suchen Gerechtigkeit – und man macht Versprechungen. Dass es das Ersehnte aber wirklich gibt – dass Liebe, Gerechtigkeit und Wahrheit in Jesus Christus erschienen sind – wer sagt das den Menschen? Wer bezeugt ihnen, dass ihr Leben ernst und sinnvoll ist? Wer nennt die Götzen noch Götzen, wenn wir es nicht tun? Wer nennt Gutes gut und Böses böse, wenn überall die Maßstäbe ver-schwimmen? Wer kann an Gräbern noch trösten, wenn wir nicht die Auferstehung bezeugen? Wer wird der Macht und dem Geld widersprechen, wenn wir es nicht in Gottes Namen tun? Wer wird für das ungeborene Leben eintreten? Wer kennt noch Werte, die nicht an der Börse gehandelt werden? Und wer soll den Menschen Würde zusprechen, wenn sie scheitern und versagen? All das kann nur aus dem Evangelium kommen. Und darum meine ich: Das Beste, was wir der Welt zu geben haben, unseren Mitmenschen und auch den nachfolgenden Generationen, ist nicht die westliche Zivilisation. Es sind nicht Computer oder Labore, Fast-Food-Ketten, Kunstschätze, Wertpapiere oder Fernseher. Es ist auch keine Staatsform. Sondern das Beste, was wir der Welt zu geben haben, ist das Evangelium, das uns Jesus anvertraut hat. Dieses Evangelium ist die Arznei, an der unsere Welt gesunden kann. Doch wie soll die Arznei wirken, wenn die Sanitäter, die man zum Verteilen ausschickte, alles für sich behalten? Ich bitte darum jeden Einzelnen, in seinem persönlichen Umfeld für den Glauben einzutreten und dabei keine falsche Bescheidenheit an den Tag zu legen. Denn die vielen Sekten sind nicht bescheiden, und die neuen Heiden sind es auch nicht. Ungläubige und Abergläubige aller Art tönen laut herum. Warum sollten Christen da verschämt schweigen? Zwar hat es die Wahrheit nicht nötig, dass man Geschrei darum macht und sie in falschem Bekehrungseifer den Menschen aufdrängt. Aber wo ein klares Zeugnis Not tut, weil Menschen Glaube, Liebe und Hoffnung entbehren, da sind wir gefordert. Und da werden wir auch nicht verschweigen dürfen, dass Jesus Christus Anspruch erhebt auf unser aller Leben. Kein anderer hat das Recht, unser Dasein zu bestimmen. Kein Politiker und kein Vorgesetzter, kein Ehepartner und kein Verein. Keiner ist unser Herr, als Christus. Er aber ist es wirklich. Und das muss man den Menschen sagen. Denn „wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden“ – sagt Paulus: „Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger?“ Darum lassen sie uns alle, jeder auf seine Weise, Prediger und Missionar sein. In der Stadt und im eigenen Haus, im Betrieb und auf der ganzen Welt, auf dass Gottes Haus voll werde – und keiner mehr draußen steht, wenn die Türen sich schließen…