Wie kommt das Böse in Gottes gute Schöpfung? Manche Gelehrte versuchen, das Rätsel zu lösen, indem sie dem Bösen einen Sinn abgewinnen und ihm einen Nutzen beilegen. Doch verharmlosen sie es damit. Denn die Natur des Bösen besteht gerade darin, für nichts gut zu sein. Es ist ein Fremdkörper im Organismus der Schöpfung, dem wir nicht „verstehend“ begegnen sollten, sondern bewusst „verständnislos“. Es hat keine Daseinsberechtigung.

Und so sollten wir es auch behandeln.  

Die Sinnlosigkeit des Bösen

Wo hat das Böse seinen Ursprung?


Wie ist eigentlich das Böse in Gottes gute Schöpfung hineingekommen? Wo hat es seinen Ursprung? Ich denke, jeder aufmerksame Leser der Bibel ist schon einmal über dieses Problem gestolpert. Denn es heißt ja am Ende des Schöpfungsberichtes, dass alles, was Gott schuf, sehr gut gewesen sei. Da steht: „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“ (1.Mose 1,31) Wenn aber alles so war, wie Gott es wollte, und nichts existierte, was nicht aus Gottes Hand gekommen wäre, wenn Gott in seiner Weisheit das Universum gut geordnet hatte – wie um alles in der Welt ist dann das Böse da hineingeraten? Wo kommt es her, wenn doch der gute Gott das Böse unmöglich geschaffen haben kann? Die Bibel antwortet uns darauf mit der Erzählung vom Sündenfall. Sie verweist uns auf Adam und Eva, die im Garten Eden von der verbotenen Frucht aßen. Aber als Erklärung für den Ursprung des Bösen, will diese Geschichte nicht recht taugen. Denn natürlich fragen wir sofort weiter: Warum haben die beiden von der verbotenen Frucht gegessen? Geschah es nicht, weil die Schlange sie dazu verführte? Woher also kommt die Schlange? Dass die Schlange eine Gestalt des Teufels war, ist nicht schwer zu erraten. Aber das führt uns nur zu der weiteren Frage, woher denn bloß der Teufel kommt. Auch hier gibt uns die Bibel noch einmal einen Hinweis. Der Teufel soll ursprünglich ein Engel gewesen sein, der wie alle anderen Engel gut geschaffen war, der dann aber gegen Gott aufbegehrte und zur Strafe aus dem Himmel verstoßen wurde. Nur: Wie es überhaupt möglich war, dass sich ein Engel gegen Gott wendet – das lässt die Bibel offene. Hat Gott die Engel so wankelmütig geschaffen, dass sie sich in ihr Gegenteil verwandeln können? Und wenn ja: Muss er dann nicht die Folgen vorhergesehen haben? Wenn er sie aber vorhergesehen hat, hat er dann am Ende selbst das Böse in seiner Schöpfung eingeplant? Der Schöpfer selbst wäre dann der Ursprung jener Macht, die es auf die Zerstörung seiner Schöpfung abgesehen hat. Gott durchkreuzte seine eigenen Pläne und sabotierte sein eigenes Werk. Und das machte dann gar keinen Sinn mehr – es wäre absurd. Die Spur verläuft darum im Sande, ohne, dass uns die Bibel eine abschließende Auskunft geben hätte... Unbefriedigend ist das für alle, die die Welt zu verstehen suchen. Besonders unbefriedigend aber ist es für die Theologen. Denn wenn das Dasein des Bösen in der Welt unerklärlich bleibt, dann wirkt es wie ein „Konstruktionsfehler“ im Schöpfungsplan – und Gott gerät in ein schiefes Licht. Um das zu verhindern, gehen manche Gelehrte über die Bibel hinaus und vertreten selbsterdachte Theorien über den Grund, den Sinn und den Ursprung des Bösen. Die klingen etwa so: Gott dulde zwar das Böse in seiner Schöpfung, sagen sie, aber er tue es nur um eines höheren Gutes willen. Er dulde das Böse nämlich nur, damit Freiheit möglich sei. Gott wollte keine bloßen Maschinen und Marionetten schaffen, sagen sie, sondern er wollte sich im Menschen ein echtes, frei entscheidendes Gegenüber schaffen. Eine Freiheit aber, die neben dem Guten keine Alternative kennt, wäre keine echte Freiheit. Wer sich nicht auch für das Böse entscheiden kann, der muss gezwungenermaßen das Gute wählen. Wenn Gott aber Menschen wollte, die aus freiem Willen heraus das Gute tun, so musste er ihnen auch die Möglichkeit zum Bösen offen halten und in Kauf nehmen, dass sie evtl. von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Der Preis war nicht zu hoch, sagen die Gelehrten, denn ohne solche Freiheit wäre der Mensch immer unmündig geblieben und hätte nie zur Erkenntnis des Guten und Bösen durchdringen können. Darum ist der Sündenfall nach ihrer Meinung auch kein Unglück, sondern ein gottgewollter Fortschritt in der geistigen Höherentwicklung des Menschen. „Wer schließlich wüsste, was gut ist, wenn er das Böse nicht kennen würde?“ sagen sie. Erkennen wir nicht alles erst aus seinem Gegensatz? Die Wärme kann nur schätzen, wer die Kälte kennt. Den Wert des Lichtes erkennt nur, wer schon mal im Finstern gesessen hat. Das Große schiene uns nicht groß, wenn es nichts Kleines gäbe. Das Schöne schiene uns nicht schön, wenn es nichts Hässliches gäbe. Na und das Gute kann eben nur gut sein, weil es sich vom Bösen absetzt. Alle Dinge, so die Argumentation, leben vom Kontrast und sind auf den Kontrast angewiesen. Und darum, so heißt es, kann Gott auch auf das Böse nicht verzichten. Er braucht es als die dunkle Folie, von der sich das Gute um so strahlender abheben kann. Denn ohne Sünde gibt’s schließlich keine Erlösung, ohne Not keine Rettung, ohne Angst kein Trost. Und wenn man das verstanden hat, so die Theorie, erkennt man, dass der Sündenfall in Wahrheit ein Glücksfall war. Denn wäre die Sünde nicht in die Welt gekommen, dann hätten wir Christus gar nicht kennengelernt. Und wären wir nicht auf Abwege geraten, so hätten wir nie erlebt, wie Gott uns liebevoll nachgeht, um uns zu erlösen. Kurz gesagt: Unsere Gemeinschaft mit Gott ist nach überwundener Trennung viel inniger, als wenn diese Gemeinschaft nie in Frage gestellt worden wäre... Ich mache hier einfach einen Schnitt. Denn es ist deutlich geworden, worauf solche Theorien hinauslaufen. Es sind gutgemeinte Versuche, dem Bösen in der Welt einen Sinn abzugewinnen. Und sie wollen uns davon überzeugen, dass eine Welt, in der das Böse nach und nach überwunden wird, irgendwie besser, reifer oder wertvoller sei, als eine Welt, in der es das Böse nie gegeben hätte. Verführerisch sind diese Gedanken, weil sie logisch klingen und eine peinliche Wissenslücke schließen. Trotzdem muss ich Wasser in den Wein schütten und muss warnen vor diesen allzu geschliffenen Erklärungen. Denn – um es mit einem Wort zu sagen: Das Böse kommt dabei zu ganz unverdienten Ehren. Das Böse nämlich, das in Gottes Plänen irgendeinen Sinn macht – dieses Böse ist nicht mehr radikal böse, sondern nur relativ böse. Es wird erklärt. Es wird dabei aber zugleich verharmlost. Denn in dem Moment, wo unsere Grübelei dem Bösen einen Sinn abgewinnt (und sei es nur als dunkle Folie des Guten), gestehen wir dem Bösen eine gewisse Berechtigung und einen Nutzen zu. Wir müssen dann zugeben, dass etwas, das als Bedingung unserer Freiheit notwendig in den Lauf der Welt hineingehört, nicht ganz und gar verwerflich sein kann. Und unversehens haben wir damit dem Bösen eine Daseinsberechtigung zugestanden. Wir beginnen für das Böse Verständnis aufzubringen, wir beginnen am Bösen etwas Gutes zu finden – und täuschen uns damit über die wahre Natur des Bösen hinweg. Denn in Wahrheit besteht die Natur des Bösen eben darin, für nichts gut zu sein. Es hat keine Daseinsberechtigung. Und am wenigsten eine, die sich aus Gottes Plänen ergäbe. Nein: Das Böse ist zutiefst sinnlos. Und an dieser anstößigen, ärgerlichen, tiefen Sinnlosigkeit dürfen wir nichts abbrechen. Wenn wir uns nämlich damit abfänden, dass das Böse einen notwendigen Platz in der Welt hat, wenn unser Verstand mit dem Bösen Frieden schlösse – warum sollten wir ihm dann noch tagtäglich widerstehen? Ja, ich fürchte, jene gelehrten Männer, die redeten, wo die Bibel es für klüger hielt zu schweigen, jene Schlauköpfe, die den Ursprung des Bösen so schön „erklärten“, haben damit (entgegen ihrer Absicht) dem Teufel zugearbeitet. Eigentlich wollen sie angesichts des Bösen in der Schöpfung den Schöpfer rechtfertigen. Faktisch liefern sie aber eine Rechtfertigung des Bösen. Und das ist so ziemlich das Letzte, worauf Christen sich einlassen sollten. Ich möchte darum vor solchen Grübeleien warnen. Denn als Christen müssen wir das Böse nicht „verstehen“. Es reicht völlig, wenn wir es verabscheuen. Wollen wir aber unbedingt etwas verstehen, dann doch bitte dies, dass die einzig angemessene Geisteshaltung gegenüber dem Bösen Verständnislosigkeit ist. Es ist und bleibt sinnwidrig. Es ist und bleibt ein Fremdkörper im Organismus der Schöpfung. Und so sollten wir es auch behandeln. Denn die eigentliche Herausforderung liegt nicht darin, das Böse plausibel in unser Weltbild zu integrieren. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, das Böse aus unseren Herzen zu vertreiben. Lassen wir uns also nicht täuschen! In Wahrheit ist das Böse kein Gegenstand für eine geistreiche Unterhaltung – in Wahrheit ist es der Feind, der uns im Nacken sitzt. Wir müssen ihm widerstehen – ja! Aber wir müssen uns nicht den Kopf über ihn zerbrechen. Denn mag auch dunkel bleiben, wo das Böse seinen Anfang nahm, so ist doch nicht ungewiss wie es enden wird. Christus kommt nämlich wieder. Er gibt ihm den Rest. Und das sei Gott gedankt in Ewigkeit…