ZORN GOTTES

 

„Ja, vor der Welt scheint es also, als wäre Gott ein lauter Gähnemaul, der das Maul nur aufsperre, oder ein Hahnrei und guter Mann, der einen andern lässt bei dem Weibe schlafen, und stellt sich, als sähe er es nicht. Wider diese Gedanken hat Moses solches geredet: So hütet euch, ihr habt einen Gott, der ist ein verzehrend Feuer, das ist, ein solcher Gott, der euch verzehrt und aufräumt, so ihr gottlos seid, eifert, frisst und macht zu Asche und Staub. Er schlingt einen hinein, und hat eine solche Lust daran, dass er aus seinem Eifer und Zorn dazu getrieben wird, die Bösen zu verzehren. Geht solches einmal an, so lässt er nicht ab.“ (Martin Luther)

 

„Das ist ihm (Luther) der Zorn: der allmächtige und ewig unversöhnliche, wirkungskräftige Unwille und Widerwille des heiligen und gerechten Gottes, seine ewige, aktive Feindschaft gegen alles Ungöttliche und Widergöttliche; eine Feindschaft, die sich an der abgefallenen Kreatur als absolut kräftige Strafgewalt und unaufhaltbar sich durchsetzender Strafwille manifestiert. Der Zorn ist also Offenbarung der göttlichen Majestät, welcher „die drei R. allein gehören: Rühmen, Richten, Rächen“ (…). Herausgefordert durch die Sünde, die Gott nicht Gott sein lassen will, bezeugt sie sich in dem Zorn nach ihrer sich bejahenden, Sünde und Welt verneinenden Seite. Denn der Zorn schließt eben jene drei R. in sich: er ist begründet in dem heiligen Eifer, kraft dessen Gott sich seinen Ruhm nimmt, wo er ihm nicht gegeben wird; er erweist sich in dem Gottesgericht und -Urteil über die Sünde, und er verwirklicht sich in der Strafe an dem Sünder (…..) …so ist nach Luther der Zorn Gottes das ewige, missfällige und verneinende Anschauen der Sünde und des Sünders von Seiten der heiligen göttlichen Majestät; ein Anschauen, das sich mächtig, wirksam und schrecklich erweist in der Strafe, als in der energischen und ewigen Opposition Gottes gegen den sündlichen Willen, mittelst Position und behufs der Affirmation seines eigenen guten und heiligen Willens. Wie die Sünde nur die eine ist, und der Zorn der eine, beide so unermesslich groß, wie die beleidigte Majestät; so ist auch die Strafe nur die eine und unermessliche, die des ewigen Todes. Alle drei korrespondieren einander und sind gleich unbegreifliche „infinita“. Demnach ist ihm der Zorn nicht Ausfluss der Liebe, sondern der heiligen Majestät, die ihre Verderben und Tod bringende Seite dem Sünder zukehrt, indem sie sich in der Strafe als solche behauptet und bewahrt, und zugleich ihre absolute, der Sünde fremde und feindliche Klarheit und Gerechtigkeit an dem Sünder selbst beweist und bewährt.“ (Theodosius Harnack)

 

„Jedes Geschöpf ist im Verhältnis zum Schöpfer ein Schatten, ein Traum, Nichts Ps. 39,7; unbestreitbar auch der Mensch. Aber in mehrfacherer und schwererer Weise ist der Mensch unwürdig: denn er beleidigt seinen Schöpfer durch Sünden. Gott ist an sich und seinem Wesen nach gerecht; an sich und seinem Wesen nach zürnt er also den Sünden. Was sind wir Stoppeln vor jenem verzehrenden Feuer 5 Mos. 4,24. Wie werden unsere im höchsten Grade fleckenvollen Taten Bestand haben? Wie unsere Missetaten, die du vor dich stellest, und unsere unerkannten Sünden, die du in’s Licht stellest vor deinem Angesicht? Ps. 90,9. Unendlich ist Gott und sich immer gleich, von unendlicher Gerechtigkeit und von unendlichem Zorne: wenn in allem seinen Tun, so ist Gott unbestreitbar auch im Zorn, in der Gerechtigkeit und Rache groß und durchaus staunenswürdig. Der seines Sohnes nicht verschonet hat, wird er des Gebildes seiner Hand verschonen? Der des Heiligsten nicht verschonet hat, wird er des unnützen Knechtes verschonen?“ (Johann Gerhard)

 

„Der Herr, dein Gott, ist ein verzehrend Feuer, und ein eifriger Gott.“ (5. Mose 4,24). Das „Feuer“ ist das gewaltigste und heftigste Element unter allen. Was man nicht bezwingen, fegen, zerbrechen noch ändern kann, das greift man mit Feuer an, so wird es schmeidig gemacht und gezwungen. Es kann Silber, Gold, Eisen und alle Metalle zwingen. Darum vergleicht Gott sich diesem Element. Als wollte er sagen: Ihr könnt mir nicht entlaufen, hebe ich dermaleins an Haussuchung zu tun, so kann mir niemand widerstehen. Sündigt nun jemand wider meine Gebote, so will ich ihn wohl finden, und wissen zu strafen. Darnach nennt er ihn „eifrig“, der es nicht lassen will, er muss über seinem Worte halten. Da ist beides beisammen, die Kraft und der Wille, Stärke und Macht, dass er kann und will strafen. Wenn wir solches für die Wahrheit hielten, so würden wir seine Gebote nicht so verachten; aber niemand glaubt es, dass er der sei, bis wir es erfahren. Die zu Jerusalem haben auch nicht geglaubt, dass sie wider Gott täten, und dass sie von ihm gestraft sollten werden, bis die Römer kamen und die Stadt verstörten, dass nicht ein Stein auf dem andern blieb, Luk. 19,44. Also, ein böser Mensch, der seinem Nächsten Schaden tut, stiehlt und raubt, der glaubt auch nicht, bis der Henker kommt und knüpft ihn an den Galgen. Desgleichen alle anderen Laster, Schande und Sünde, welche wider die zehn Gebote gehen, als, Gottes Verachtung, Fluchen, Mord, Ehebruch; die haben das Urteil schon über dem Hals, dass dieser Eifer, Zorn und Feuer über sie wird kommen, und sie vertilgen. Es sei denn, dass sie Buße tun, sonst wird keiner in der Welt entlaufen können, er tue was er wolle (…). Denn lebt man gottlos, so wird man der Strafe nicht entfliehen. Entgeht einer aber hier, dass er mit der Strafe verschont wird, so wird er doch sein Gericht anderswo bekommen. Darum, entgeht er an einem Orte dem Staupbesen, so bekommt er doch anderswo einen Strick dagegen. Summa Summarum: Endlich entläuft er doch diesem Feuer nicht, denn Gott spricht: „Ich bin ein verzehrend Feuer.“ Als wollte er sagen: Nimm dir es nur nicht vor, du seist auch wer du wollest, du sollst meiner Gewalt nicht entlaufen; wenn du auch gleich aus der Welt liefest (…). Entläufst du der Strafe in diesem Leben, so fährst du doch in die Hölle, und musst des ewigen Todes sterben, und also deinen verdienten Lohn dennoch empfahen.“ (Martin Luther)

 

„Ich will nicht immerdar hadern und nicht ewiglich zürnen, denn der Geist würde vor mir dahinsinken, und die Seelen, die ich gemacht habe.“ Jes. 57,16. Unser himmlischer Vater sucht unsre Unterweisung, nicht unsren Untergang. Sein Hadern mit uns hat eine freundliche Absicht. Er will nicht immer in Waffen gegen uns sein. Wir meinen, die Züchtigung des Herrn sei eine lange, aber das ist, weil unsre Geduld eine so kurze ist. Seine Barmherzigkeit währet ewiglich, aber nicht sein Hader. Die Nacht mag sich ermüdend lange hinziehen, aber endlich muss sie einem heitern Tage weichen. Wie das Hadern nur eine Zeitlang währt, so ist der Zorn, der es verursacht hat, nur auf einen kleinen Augenblick. Der Herr liebt seine Erwählten zu sehr, um immerdar zornig auf sie zu sein. Wenn er immer mit uns handelte, wie er es zuweilen tut, so würden wir ganz ermatten und hoffnungslos zu den Pforten des Todes hinabsinken. Mut, liebes Herz! der Herr will bald sein Schelten enden. Trage es, denn der Herr will dich tragen und dich hindurch tragen. Er, der dich gemacht hat, weiß, wie schwach du bist, und wie wenig du tragen kannst. Er wird das sanft behandeln, was er so zart gemacht hat. Sei deshalb nicht bange, um der schmerzvollen Gegenwart willen, denn sie eilt zu einer glücklichen Zukunft. Er, der dich schlug, wird dich heilen; seinem kleinen Zorn sollen große Gnaden folgen.“ (Charles H. Spurgeon)