Gott hat unser Leben mit Arbeit verbunden, damit einer dem anderen mit seinen Kräften und Begabungen helfen kann. Der Schöpfer wollte, dass wir am Fördern und Erhalten fremden Lebens ebenso viel Freude finden wie er. Wenn dieser Segen aber für viele zum Fluch geworden ist, liegt das daran, dass wir den Sinn der guten Gabe durch Eigennutz und Konkurrenzdenken verkehren. Versäumen wir es, uns Gott als Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen, so bringen wir uns selbst um die tiefe Befriedigung, die aus unserer Arbeit erwachsen könnte.
Ist sie Segen oder Fluch?
Glaube und Arbeit, Religion und Erwerbsleben stehen nicht unverbunden neben-einander. Sondern: Wenn Gott uns geschaffen hat, samt der Rahmenbedingungen, die unser Dasein bestimmen, dann hat er auch die Arbeit geschaffen. Und ob das nötig war – ja, ob das freundlich war –wird man schon einmal fragen dürfen: Warum eigentlich hat Gott das Leben so eingerichtet, dass es mit viel Arbeit verbunden ist? Wäre das Leben ohne Arbeit nicht viel schöner? Oder würde uns vielleicht doch etwas fehlen, wenn wir nichts zu arbeiten hätten? Ist die Arbeit von Gott als Segen gemeint oder als Fluch? Oder könnte es vielleicht von unserer Einstellung zur Arbeit abhängen, ob sie uns zum Segen oder zum Fluch wird? Die Antwort fällt gar nicht so leicht. Denn tatsächlich haben Menschen ganz unterschiedliche Arbeitsauffassungen. Der Stellenwert, den sie der Arbeit in ihrem Leben einräumen, ist ganz verschieden. Denn manche von uns leben, um zu arbeiten. Und andere arbeiten, um zu leben. Die erste Gruppe, das sind die, die ihre Arbeit zum alleinigen Lebensinhalt gemacht haben. Sie sind geradezu süchtig nach Arbeit, weil sie sich mitten in der Arbeit am wohlsten und am lebendigsten fühlen. Sie schuften unermüdlich, denn für sie ist Leben und Arbeiten nicht zweierlei. Ihre Arbeit ist ihr Leben. Und ein Leben ohne Arbeit wäre ihnen unerträglich. Bei der anderen Gruppe dagegen, bei denen, die arbeiten, um zu leben, sieht das ganz anders aus: Die sind mit weniger Eifer bei der Arbeit, denn für sie beginnt das „eigentliche“ Leben erst, wenn die Arbeit endet. Sie arbeiten im Grunde nur, weil man seinen Leben und seine Freizeitaktivitäten irgendwie finanzieren muss. Arbeit ist also keineswegs ihr Leben. Vielmehr ist Arbeit für sie eine lästige Begleiterscheinung des Lebens und ein notwendiges Übel. Wir alle kennen Vertreter beider Gruppen. Es fragt sich nur, auf welcher Seite sich ein Christ ansiedeln sollte? Hat Gott unser Leben mit so viel Arbeit verbunden, damit wir den ersten oder den zweiten Weg gehen? Sollen wir leben, um zu arbeiten oder arbeiten, um zu leben? Ich meine: weder noch. Keiner dieser Wege entspricht dem Willen Gottes. Beide sind falsch – und zwar beide aus demselben Grund: Denn ob sie die Superfleissigen nehmen oder die weniger Fleissigen: Beide Gruppen arbeiten immer nur für sich – sei es für ihre Kariere oder für ihren Umsatz, für ihren nächsten Urlaub oder bloß für ihr Sparbuch. In jedem Fall ist die Arbeit eigennützig motiviert. Und genau das ist der Punkt, an dem sich die christliche Arbeitsauffassung deutlich unterscheiden muss. Denn wenn wir eingangs fragten, warum Gott das Leben mit Arbeit verbunden hat, dann lautet die christliche Antwort nicht: „Weil er uns damit ärgern wollte!“ oder „Damit einer den anderen übertrumpfen könne!“ Sondern unsere Antwort muss lauten: „Gott befähigte uns zur Arbeit, damit einer dem anderen mit seinen Kräften und Begabungen dienen und helfen kann!“ So war es gemeint, als Gott uns die Erde anvertraute, und uns beauftragte, den Garten Eden zu bebauen und zu bewahren. Der Schöpfer wollte, dass wir – ähnlich wie er – schöpferisch tätig sein sollten, um mit Fleiß und Geschick Gutes hervorzubringen. Er wollte uns die Freude gönnen, ähnlich produktiv zu sein wie er. Und wir sollten Spaß haben am kreativen Kräftespiel der Arbeit. Wir sollten unsere Muskeln anspannen und unsere Köpfe gebrauchen. Und wir sollten hinterher stolz sein dürfen auf die Früchte unserer Arbeit. Jeder sollte die ihm gegebenen Talente im Beruf entfalten und so die eigene Begabung für andere Menschen fruchtbar machen. Jeder sollte von der Geschick-lichkeit der anderen profitieren können. Die Arbeit sollte uns nach Gottes Willen zum Segen gereichen. Wenn sie aber inzwischen für viele zur Last und zum Fluch geworden ist, dann liegt das daran, dass der Mensch den Sinn dieser guten Gabe ins Gegenteil verkehrt hat. Statt miteinander zu kooperieren, erfanden wir den Verdrängungswettbewerb. Statt dass einer für den anderen arbeitet, versucht jeder, die anderen für sich arbeiten zu lassen. Statt mit dem erreichtem Wohlstand zufrieden zu sein, wollen wir immer mehr. Statt einander Lasten abzunehmen, versucht einer dem anderen Lasten aufzuhalsen. Und wenn es einen Weg gibt, jemand um seinen gerechten Lohn zu betrügen, dann findet sich auch einer, der es tut. M.a.W.: Erst Eigennutz, Konkurrenzdenken und hemmungsloses Gewinnstreben haben aus der Arbeit eine Last, einen Fluch und eine Nötigung gemacht. Und was uns nach Gottes Willen Erfüllung und Befriedigung verschaffen sollte, ist auf diese Weise vom Menschen verdorben worden. Allerdings meine ich, dass das nicht so bleiben muss. Arbeit muss kein Fluch sein. Sie kann Freude machen, wenn wir uns nur daran erinnern, welchen Sinn sie nach Gottes Intention haben sollte. Gott wollte nämlich keineswegs, dass Arbeit uns kaputtmacht. sondern dass wir durch unsere Arbeit zum Erhalt dessen beitragen, was Gott geschaffen hat. Und wenn wir diesen Hintergrund beachten, werden wir den Sinn unserer Arbeit ganz neu verstehen. Gottes Ziel war von Anfang an, dass seine Geschöpfe bekommen, was sie zum Leben brauchen: Brot und Schuhe, Butter und Käse, Kleidung und Arznei, ein Dach überm Kopf und Bildung obendrein. Aber Gott wollte das nicht alles eigenhändig heranschaffen. Statt alles selber zu tun beauftragt Gott den Bäcker und den Schneider, den Bauern und den Schuster, den Maurer, den Arzt und den Lehrer. Sie alle – wir alle – empfingen unsere je besonderen Begabungen, um Gottes Mittelsmänner und Gehilfen sein zu können, die im Auftrag des Schöpfers die Geschöpfe mit allem Notwendigen versorgen. Und eben in dieser Beauftragung zum Dienst am Nächsten liegt der ursprüngliche Sinn unserer Arbeit. Verkennen wir ihn aber und versäumen wir es, uns Gott als Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen, so bringen wir uns selbst um eine große Chance – und zugleich um die tiefe Befriedigung, die aus unserer Arbeit erwachsen könnte. Egal nämlich, ob wir Kinder unterrichten, Autos reparieren, Haare schneiden, Gelder verwalten oder Kuchen backen – wir können uns darin als Subunternehmer Gottes betrachten. Man kann von jedem anständigen Beruf sagen, dass er in Gottes Auftrag ausgeübt wird. Denn jede ehrliche Arbeit hat den Sinn, ein Hilfsdienst zur Erhaltung der Geschöpfe zu sein. Und jeder, der einer solchen ehrlichen Arbeit nachgeht, darf stolz darauf sein, dass Gott ihn als seinen Gehilfen brauchen kann und brauchen will. Gehen wir in diesem Bewusstsein an unser Tagewerk heran, so arbeiten wir zwar nichts Anderes, aber wir arbeiten anders als vorher. Denn tun wir in Gottes Namen, was wir tun, so hat das Auswirkungen auf unsere Motivation, die Zielsetzung unserer Arbeit, ihre Würde und auch auf ihre Grenze:
1. Die Motivation zur Arbeit ist eine andere und tiefere, denn Arbeit ist für den Christen nichts, was man auch lassen könnte, wenn man nur genug Geld hätte. Arbeit ist vielmehr ein Teil unserer Bestimmung als Mensch. Und weil das so ist, liegt in der Arbeit auch tieferer Sinn als bloß, dass ich meine Rechnungen bezahlen kann. Arbeit ist mehr als ein „Job“ und auch mehr als ein „Beruf“ – Arbeit ist „Berufung“ und göttlicher Auftrag.
2. Weil der Arbeitsauftrag Gottes nicht lautet „Du sollst dich durch Arbeit bereichern“ sondern „Du sollst durch Arbeit deinem Nächsten dienen“, sollten wir als Christen in der Berufsausübung entsprechende Prioritäten setzen. M.a.W.: Der Bäcker sollte seinen Erfolg nicht daran messen, wieviele Brötchen er verkauft, sondern ob sie seinen Kunden schmecken. Der Händler sollte nicht stolz sein, wenn sein Umsatz steigt, sondern wenn er den Menschen angeboten hat, was sie brauchten. Und der Arzt sollte sich nicht an der Zahl der abgerechneten Rezepte orientieren, sondern an der Zahl der geheilten Patienten.
3. Wenn jemand in dieser Weise arbeitet, dann ist seine Arbeit nicht schnöder Broterwerb und Selbsterhalt, sondern ein täglicher Gottesdienst. Und ob es angesehene oder gutbezahlte Arbeit ist, spielt dann keine Rolle mehr. Denn auch wenn jemand Toiletten putzt, Müll sortiert oder sonstigen Dreck anderer Leute wegmacht: Sofern er dieses Tun als Dienst am Nächsten zu begreifen vermag, ist auch solch ein Beruf eine göttliche Berufung, und ist auch ein solches Amt ein ehrenwertes Amt. Ein Hilfsarbeiter, der bei solcher Drecksarbeit an die anderen denkt, steht darum höher, als z.B. der Chefarzt, der beim Operieren nur an sich und sein Konto denkt.
4. Wer die eigene Arbeit als Hilfsdienst zur Erhaltung der Schöpfung begreift, wird auch wissen, wann diese Arbeit zu ruhen hat. Anders nämlich als die Leistungs-besessenen, die Arbeit zum Selbstzweck machen, kann sich der Christ den Schöpfer selbst zum Vorbild nehmen. Am siebten Schöpfungstage trat Gott einen Schritt zurück und ruhte von seinen Werken. Und hier steht es dem Menschen gut an, es dem Herrn gleichzutun: Zu ruhen, sich an der Schönheit der Schöpfung zu ergötzen und damit zu beweisen, dass er Sinn und Grenze der Arbeit begriffen hat. Als Gott dem Menschen die Arbeit verordnete, da tat er es nämlich nicht, damit wir uns von Arbeit auffressen lassen. Er tat es nicht, damit unser Dasein eine unablässige Plackerei sei. Er tat es nicht, damit wir Gelegenheit hätten, unser Dasein durch Leistung zu rechtfertigen. Nein. Er tat es, damit wir am Fördern und Erhalten fremden Lebens ebensoviel Freude finden sollten wie Gott. Und nur darum will er auch, dass wir in unserer Arbeit das Beste geben. Nicht damit wir dafür gelobt, befördert oder besonders gut bezahlt werden. Sondern damit wir unseren Mitmenschen auf die bestmögliche Weise dienen – am Schweißgerät und im Büro, im Geschäft und an der Werkbank.