FURCHT

 

Zu 1. Joh 3,20: „Dass, so uns unser Herz verdammet, dass Gott größer ist, denn unser Herz, und er kennet alle Dinge.“

Fehlt es dir gleich an Werken, so soll es dir doch nicht am Glauben mangeln. Und wenn es dir gleich an Überzeugung des Herzens fehlt, so ist doch der Glaube und die Hoffnung größer. Straft dich gleich die Nachlässigkeit deines Lebens, so darfst du doch deswegen noch nicht verzweifeln. Denn die Summa des Evangelii ist diese, dass du glauben und hoffen sollst. Wir sollen uns zwar für unwürdig schätzen, jedoch aber die angebotene Gnade und das Evangelium annehmen. Macht uns gleich unser Gewissen kleinmütig, und stellt uns Gott als zornig vor, so „ist doch Gott größer, denn unser Herz“. Das Gewissen ist ein einziger Tropfen; der versöhnte Gott aber ist ein Meer voller Trostes. Man muss die Furcht der Gewissen oder die Verzweiflung überwinden, wiewohl dieses etwas Schweres ist. Das ist eine wichtige und überaus süße Verheißung, „dass, so uns unser Herz verdammet, dass Gott größer ist, denn unser Herz, und dass er alle Dinge erkennet“. Warum spricht er nicht vielmehr, er tut und vermag alles? Wenn einen sein Gewissen straft und verdammt, so wird dem Menschen angst, und spricht mit David: „Es haben mich meine Sünden ergriffen, dass ich nicht sehen kann; ihrer ist mehr, denn Haare auf meinem Haupte, und mein Herz hat mich verlassen“, Ps. 40,13. (…) Alsdann seufzt ein Sünder, und spricht: Ich weiß nicht, wie ich mir raten soll. Aber wider diese Finsternis des Herzens spricht man: Gott erkennt alles. Das Gewissen ist allezeit furchtsam, und schließt die Augen zu; aber Gott ist tiefer und höher als dein Herz, und erforscht das Innerste desselben genauer. Er zündet uns ein Licht an, und öffnet uns die Augen, dass wir sehen, dass unsere Missetat von uns hinweg genommen sei. Der Satan beunruhigt unser Gewissen öfters, auch wenn wir recht tun. Als, wenn jemand angefochten würde, dass er nicht die Messe gefeiert hätte, so kann ihn der Teufel unruhig machen, und alle Schriftstellen hinweg nehmen, die ihn vorher ermunterten, die Menschensatzungen nicht mit zu halten. Aber alsdann muss man die Augen zuschließen, und gedenken, dass Gott in seinem Worte weiser sei, und wir durch dergleichen eitele Werke nicht selig werden (…). Der Teufel legt bisweilen die besten Dinge übel, und die bösen gut aus; er macht das Gute geringe, und das Böse spannt er hoch. Aus einem kleinen Gelächter kann er die ewige Verdammnis machen. Aber du musst allezeit gedenken: Gott ist größer denn unser Herz. Das Herz weiß nicht, was recht ist; Gott erkennt alles, und belehrt mich eines Bessern im Worte des Evangelii.“ (Martin Luther)