NÄHE

 

„Nichts macht einen Stoff so sehr und so gut fähig, Feuer zu werden, als ihn dem Feuer nahe zu bringen und ihn immer mehr von der Wärme durchdringen zu lassen. Dieser Stoff könnte noch so feucht sein, er könnte Stein oder Stahl sein – bleibt er nur in der Nähe des Feuers, so wirkt dies auf ihn ein und macht ihn sich ähnlich; oder aber es zieht ihn ganz in sich und verwandelt ihn in Feuer oder in einen entflammbaren Stoff. Ebenso kann ein Mensch noch so dem Bösen ergeben, noch so hart, noch so durchtränkt von Sünden, dem Schlechten zugeneigt sein – mag es sich nun um die Welt oder die Geschöpfe handeln –, wenn er sich diesem göttlichen Feuer oft, in ernster Andacht, in reiner Gesinnung nahen will und tun, was er von seiner Seite nur vermag, so wird er diesem Feuer nicht nahe bleiben, ohne dass sein trockenes, steinernes, stählernes Herz warm werde, weich, feurig und göttlich.“ (Johannes Tauler)

 

„Nie hat ein Mensch nach irgend etwas so sehr begehrt, wie Gott danach begehrt, den Menschen dahin zu bringen, dass er ihn erkenne. Gott ist allzeit bereit, wir aber sind sehr unbereit; Gott ist uns nahe, wir aber sind ihm sehr fern; Gott ist drinnen, wir aber sind draußen; Gott ist in uns daheim, wir aber sind in der Fremde.“ (Meister Eckhart)

 

„Der Mensch soll sich in keiner Weise je als fern von Gott ansehen, weder wegen eines Gebresten noch wegen einer Schwäche noch wegen irgend etwas sonst. Und wenn dich auch je deine großen Vergehen so weit abtreiben mögen, dass du dich nicht als Gott nahe ansehen könntest, so sollst du doch Gott als dir nahe annehmen. Denn darin liegt ein großes Übel, dass der Mensch sich Gott in die Ferne rückt; denn, ob der Mensch nun in der Ferne oder in der Nähe wandele: Gott geht nimmer in die Ferne, er bleibt beständig in der Nähe; und kann er nicht drinnen bleiben, so entfernt er sich doch nicht weiter als bis vor die Tür.“ (Meister Eckhart)