Das Bekenntnis ist ein kommunikativer Sonderfall, bei dem der Sprecher zugleich mit seiner Ansicht über „etwas“ auch „sich selbst“ offenbart, denn das Bekenntnis schließt in der Sachaussage eine Selbstaussage mit ein: Wer Jesus als den Christus bekennt, sagt damit ebenso viel über Jesus wie über sich selbst. Er kann nicht mehr anders zu sich selbst stehen, als indem er öffentlich zu seinem Glauben steht. Und weil Christus das nicht nur vom Einzelnen, sondern auch von der Gemeinde erwartet, gibt es keine christliche Kirche, die nicht „Bekenntniskirche“ wäre. 

Den Glauben bekennen

 

Sind Sie in letzter Zeit mal nach ihrem „Bekenntnis“ gefragt worden? Früher gab es im Personalausweis eine Rubrik, wo das „Bekenntnis“ stand. Und wenn man sich nach einem Umzug auf dem Einwohnermeldeamt anmeldete, kam auf dem Formular auch die Frage nach dem „Bekenntnis“ vor, die mit „evangelisch“, „katholisch“ oder „konfessionslos“ zu beantworten war. Aber was ist überhaupt ein „Bekenntnis“? Und was tut einer, wenn er etwas „bekennt“? Folgen wir dem üblichen Sprachgebrauch, so bekennt der Mensch entweder seine Schuld oder er bekennt sich zu jemandem oder er bekennt eine Überzeugung. In jedem Fall macht er aber eine Aussage, die seine Identität berührt. Wer Schuld bekennt, gesteht, dass er etwas getan hat, das nun – auch wenn er es bedauert – untrennbar zu seiner Lebensgeschichte gehört. Die Tat ist keinem anderen zuzurechnen als ihm. Und er übernimmt dafür die Verantwortung, weil es sein Wille war, der sie geplant, und seine Hand, die sie ausgeführt hat. Geständig gibt er der Tat das „Ich-Vorzeichen“, sie „gehört“ ihm, er erkennt das an und nennt sie folglich „seine“ Tat. 

Bekennt man sich zu jemandem und zu der besonderen Beziehung, in der man zu ihm steht, liegen die Dinge etwas anders. Aber auch da ordnet der Bekennende etwas der eigenen Person zu und bejaht die Konsequenzen, die daraus folgen, dass z.B. ein Freund „sein“ Freund ist und (ganz ähnlich wie die Tat) „zu ihm“ gehört. Ein Bräutigam bekennt sich öffentlich zu seiner Braut und zur Ehe mit ihr. Und Eltern, die den halbwüchsigen Sohn bei der Polizei abholen, bekennen sich damit zu ihrem Kind und haften für den Schaden, den es vielleicht angerichtet hat. Natürlich kann es auch eine Gruppe sein, zu der man sich bekennt, wie etwa ein Fußballverein oder ein Motorradclub. Und bei vielen Gemeinschaften ist es „Ehrensache“, dass man ihnen nicht angehören kann, ohne sich öffentlich zu ihnen zu bekennen.

Neben einer Schuld und einer menschlichen Beziehung gibt es aber auch noch Überzeugungen, zu denen man sich bekennen kann. Man ordnet sich dann einer bestimmten Sicht der Dinge zu, tritt für seine Einsichten ein, für einen politischen Standpunkt, für eine Weltanschauung, für Werte, Ziele oder Prinzipien und sagt: Das sind nun „meine“ Prinzipien! Mancher hat sie noch kurz zuvor geleugnet. Eines besseren belehrt bekennt er nun aber ihre Geltung – und sagt damit nicht nur etwas über den Sachverhalt, der sich ihm erschlossen hat, sondern sagt zugleich etwas über sich selbst. Mit der Sachaussage bekennt er zugleich den Wandel seiner Haltung. Und so stoßen wir darauf, dass ein Bekenntnis ein Sonderfall von Kommunikation ist, bei dem in einem Satz immer gleich zwei Dinge enthalten sind. Jedes Bekenntnis ist eine „Aussage“. Aber nicht jede Aussage ist schon ein Bekenntnis. Sondern sie ist es nur dann, wenn der Sprecher zugleich mit der geäußerten Ansicht über „etwas“ auch „sich selbst“ offenbart. Das ist natürlich nicht immer der Fall. Denn es gibt viele Aussagen, die mit dem Sprecher wenig oder nichts zu tun haben, wie z.B. „Paris liegt in Frankreich“. Im Bekenntnis aber teilt der Bekennende nicht nur „etwas“ mit, sondern teilt „sich“ mit. Redend gibt er sich zu erkennen. Und so hat die Botschaft, die er übermittelt, doppelten Gehalt. Denn wer behauptet, dass Paris in Frankreich liegt, beweist nur, dass er in der Schule aufgepasst hat. Wer aber (sachlich ebenso korrekt) sagt, „das war meine Schuld“, qualifiziert sich als Täter. Mit dem Geständnis „das ist unser Kind“ übernehmen die Eltern Haftung. Und mit dem Bekenntnis „Christus ist der Herr“ outet sich der Sprecher als gläubig. Solche Sachaussagen schließen eine Selbstaussage mit ein. Sie offenbaren nicht bloß „etwas“, sondern „mich“. Und vieles ist der Mensch erst dann wirklich, wenn er sich auch dazu bekennt, es zu sein, weil erst im Bekennen seine Position voll in Erscheinung tritt. Man steht dann zu „etwas“ oder zu „jemand“ und steht gerade so „zu sich“ und seiner Identität. Denn dieses „etwas“ oder diesen „jemand“ zu verleugnen, hieße sich selbst zu verleugnen. Wir empfinden, dass wir etwas nur ganz „sind“, wenn wir‘s nicht bloß heimlich, sondern auch in den Augen der anderen „sind“. Und durch ein Bekenntnis beenden wir das unverbindliche Spiel mit Möglichkeiten. Das Bekenntnis macht eine davon zur Wirklichkeit. Es gibt dem Menschen ein Profil, das er anders nicht gewinnt. Und weil wir das spüren, tragen wir im Bekenntnis willentlich einen inneren Sachverhalt nach außen, damit er künftig jedem als für uns wesentlich und wesensbestimmend bekannt sei. Das heißt aber: Durch unser Bekenntnis bringen wir „Innen“ und „Außen“ zur Deckung und beenden den unfertigen Zustand, in dem Sein und Schein auseinanderfallen. So ein „Coming out“ ermöglicht dem Menschen, in seinen Lebensäußerungen „authentisch“ zu sein. Dessen das Herz voll ist, darf der Mund endlich übergehen! Und das entspricht einem tief menschlichen Bedürfnis, während es Anstrengung und Konzentration erfordert, anders zu reden als man denkt und fühlt. Aus innerem oder äußerem Zwang nicht zeigen zu dürfen, wer man ist, verursacht dem Menschen ein Leid, von dem ihn nur das offene Bekenntnis befreien kann. Was er darin sagt, war dem Gehalt nach zwar auch schon vorher wahr. Insofern fügt das Bekenntnis der Sache nichts hinzu. Weil es aber, als Selbstaussage geäußert, das „Versteckspiel“ beendet, schafft es dennoch eine neue Situation – und ist somit keineswegs nur „Gerede“, sondern ist „Tat“. Das Bekenntnis beschreibt nicht nur Fakten, sondern schafft Fakten. Der Bekenner veröffentlicht, was sonst vielleicht übersehen oder missverstanden würde. Und wenn er damit der Wahrheit auch nichts hinzufügt, sondern ihr lediglich die Ehre gibt, ist doch Erhebliches passiert. Denn sobald jemand bekennend seine Stellung zu „etwas“ oder zu „jemand“ öffentlich macht, gewinnt diese Beziehung neue Qualität und Tiefe. Der Bekennende hat gemerkt, dass er nicht mehr anders zu sich selbst stehen kann, als indem er öffentlich zu diesem und zu jenem steht. Er will künftig nicht mehr anders als in dieser Verbindung gesehen werden. Und er fühlt sich nicht anders verstanden als gerade so. Denn die Tat, die Person oder die Überzeugung, zu der er sich bekennt, ist für ihn nicht austauschbar, sondern ist ihm so wesentlich wichtig, dass er ausdrücklich damit in Verbindung gebracht und dabei behaftet werden will. Er hat erkannt, dass er ohne diesen Bezug nicht er selber wäre, und mag daraus denn auch kein Geheimnis mehr machen.

Wie ist das nun aber, wenn sich jemand zum christlichen Glauben bekennt? Ist das eher das Bekenntnis zu einer Person, zu einer Tat oder zu einer Überzeugung? Ein Blick in die Bibel zeigt schnell, dass da keine Unterscheidung möglich ist. Denn wenn jemand den Namen Gottes bekennt, schließt das die Hinwendung zur Person Gottes genauso ein wie eine in Worte gefasste Überzeugung. Und die im Bekenntnis bekundete Gemeinschaft mit Gott ist selbstverständlich auch mit neuem Gehorsam verbunden (vgl. 1. Kön 8,33-36). Man bittet und erwartet, dass der Allmächtige, zu dem man sich bekennt, sich seinerseits auch zu den Gläubigen bekennt (vgl. Sirach 36,17). Man rechnet damit, dass sich solches Bekennen wechselseitig bedingt (Mt 10,32-33 / Lk 12,8 / Offb 3,5). Und ein bloßes „Lippenbekenntnis“ ist damit in der Bibel nie gemeint, sondern das Bekennen der Zunge und das Beugen der Knie gehört notwendig zusammen. Beides ist äußerer Ausdruck derselben inneren Verfassung (Röm 14,11). Und selbstverständlich wird erwartet, dass bekennenden Worten auch Taten folgen (Mt 21,28-31). Im Übrigen finden wir aber dieselbe Doppelstruktur, die wir oben beschrieben haben, weil auch im religiösen Bekennen Sachaussagen und Selbstaussagen Hand in Hand gehen. Wer Jesus als den Christus bekennt, sagt damit ebenso viel über Jesus Christus wie über sich selbst (vgl. Joh 9,22)! Und er könnte dieses Bekenntnis weder verleugnen noch bekräftigen, ohne damit seine eigene Position offen zu legen. Denn keiner kann Jesus zum Thema machen, ohne dabei selbst zum Thema zu werden. Und keiner kann von Jesus reden, ohne damit etwas über sich selbst zu sagen. Auch wer eine Stellungnahme umgeht, outet sich damit. Denn Jesus sagt: „Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich“ (Mt 12,30). Bekennt aber einer die Wahrheit Gottes – wie sollte er sich nicht zugleich dieser Wahrheit beugen? Und wie sollte er infolgedessen nicht an der Wahrheit teilhaben? Ist Christus die Wahrheit in Person (Joh 14,6), die der Vater gesandt hat, damit die Menschen sie hören (Mt 17,5), so ist Gott auch nicht egal, wie sie aufgenommen wird. Er will Resonanz! Er möchte, dass sein Ruf beantwortet wird. Und es ist sein ernster Wille, dass Jesus Christus am Ende der Tage von jeder lebenden Seele bekannt und von niemandem mehr verleugnet wird (Phil 2,11). Am Bekenntnis zu Christus hängt die Gemeinschaft mit Christus – und an dieser das Heil des Menschen. Darum sind nach dem 1. Johannesbrief „Bekennen“ und „Haben“ gar nicht voneinander zu trennen, sondern „wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht“ und „wer den Sohn bekennt, der hat auch den Vater“ (1. Joh 2,22-23). Wer bekennt, „in dem bleibt Gott und er in Gott“ (1. Joh 4,15). Und dass der Heilige Geist in einem Menschen wohnte, ohne dass es sich im Bekenntnis manifestierte, ist für das Neue Testament gar nicht denkbar (1. Joh 4,2-3.) Denn nur zu dem, der sich zu Christus bekennt, wird sich auch Christus bekennen vor seinem himmlischen Vater (Mt 10,32-33). Mit anderen Worten: Das Bekenntnis des Glaubenden beschreibt nicht nur Wirklichkeit, sondern es schafft Wirklichkeit. Es ist nicht „Gerede“, sondern gehorsame Antwort auf Gottes Ruf – und damit folgenreiche Tat. Der Bekennende veröffentlicht, dass er nicht nur eine Beziehung zu Gott in Christus „hat“, sondern dass diese Beziehung ihn ausmacht. Im Bekenntnis „wendet sich der Glaubende von sich selbst weg und bekennt, dass er alles, was er ist und hat, durch das ist und hat, was Gott getan hat“ (R. Bultmann). Der Mensch gründet sich also außerhalb seiner selbst in Gott und nimmt die Konsequenzen dieser Positionierung bewusst auf sich. Wer sich aber dergestalt auf Gott verlässt, wird von Gott nicht verlassen, sondern wird von ihm getragen, und sein Bekenntnis findet Antwort im Zuspruch des Heils. Paulus sagt: „Wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet“ (Röm 10,9-10). Schon zwischen Menschen ist eine Beziehungen mit der Erwartung verknüpft, der Andere werde auch öffentlich dazu stehen. Denn ein Vater, der sein Kind verleugnet, ist bestenfalls ein „Erzeuger“. Der Mann, der sich seiner Frau schämt, ist ihrer Liebe nicht wert. Und ein Freund, der für den Freund nicht eintritt, ist mindestens feige. Sollte also Gott weniger erwarten als das, was wir schon Menschen schulden? Oder dürfte ein Christ mit seinem Glauben hinter dem Berg halten, als wäre ihm seine Beziehung zu Gott in Christus peinlich? Diese Beziehung vor der Welt zu verschweigen oder abzuleugnen, heißt eigentlich sie aufzukündigen. Darum ging Petrus beim Krähen des Hahns hinaus und weinte bitterlich (Mt 26,75)! 

Wenn also das Bekenntnis schon für den einzelnen Christen unverzichtbar ist – muss das nicht erst recht für die kirchliche Gemeinschaft gelten? Tatsächlich gibt es überhaupt keine Kirche, die nicht „bekennende Kirche“ und damit „Bekenntniskirche“ wäre. Denn die darin Versammelten sind ja nur dadurch „Kirche“, dass sie sich im gemeinsamen Bekenntnis Christus als ihrem Herrn unterstellen. Das Bekenntnis zu Christus ist die Achse, um die sich das Rad der Kirche dreht. Und wie für den Einzelnen gilt auch für die Gemeinschaft der Gläubigen, dass sie nicht anders zu sich selbst stehen kann, als indem sie öffentlich zu ihrem Herrn steht! So schuldet die Kirche ihr Bekenntnis in erster Linie Jesus Christus selbst, der seinen Ruf in die Nachfolge auf diese Weise beantwortet wissen will. Darüber hinaus erfüllt das Bekenntnis aber weitere Funktionen, auf die Kirche nicht verzichten kann. Denn es formuliert den Glauben, in dem die versammelten Glieder des Leibes Christi nicht nur miteinander, sondern auch mit den Aposteln übereinstimmen. Es vergewissert damit die Gläubigen ihrer Identität. Es bringt das geistliche Profil ihrer Gemeinschaft auf den Punkt. Und es verbindet alle, die sich in demselben Bekenntnis wiederfinden, zu Schwestern und Brüdern. Das Bekenntnis beschreibt den Grundbestand christlicher Lehre, in dem alle öffentliche Predigt übereinstimmen muss. Und es verpflichtet die Amtsträger, den gemeinsamen Boden nicht zu verlassen. Es gibt aber zugleich Katecheten und Religionspädagogen eine Kurzform des Glaubens an die Hand, den sie der nächsten Generation nahe bringen sollen. Das Bekenntnis zieht notwendige Grenzen, um die Kirche gegen aufkommende Irrlehren zu schützen. Es dient der theologisch verantworteten Qualitätskontrolle, damit überall, wo „evangelisch“ draufsteht, auch „evangelisch“ drin ist. Und wenn Kirche Mission betreibt und Außenstehende zum Glauben einlädt, gibt das Bekenntnis ihnen Rechenschaft darüber, worin dieser Glaube besteht. In der Kommunikation nach innen wie nach außen muss Kirche wissen, wer sie ist, und wer nicht. Der Glaube, der verstanden werden will, muss in der Lage sein sich selbst zu beschreiben. Und wenn er sich in einem kunterbunten Umfeld bewegt, muss er um so deutlicher das seinem Wesen Gemäße von jeder anderen Denkungsart unterscheiden können. Nicht zuletzt hat das Bekenntnis aber auch noch eine Funktion im Gottesdienst der Gemeinde, die vor Gott und vor der Welt immer wieder ausspricht und bekräftigt, dass es die Beziehung zu Gott in Christus ist, die sie trägt, auf die sie baut, auf die sie trotzt und pocht und sich verlässt. Kirche kann gar nicht anders zu sich selbst stehen, als indem sie freimütig bekennend zu dem steht, der sie berufen, erlöst und erleuchtet hat. Gäbe sie aber das Bekenntnis auf, gäbe sie sich selbst auf und hätte als Braut Christi ihren Verlobungsring weggeworfen. Davor bewahre uns der Himmel! Darum lassen sie uns darauf achten, dass unser Bekenntnis nicht vernuschelt, verdruckst und undeutlich „rüberkommt“, sondern dass wir wir klar und froh, laut und eindeutig Farbe bekennen: Zur Ehre Gottes und zum Nutzen unserer Kirche – vor allem aber, dass kein Zweifel aufkomme, wo und auf welcher Seite wir persönlich stehen.