DANKBARKEIT

 

„Der Mensch muss erst selig werden, und dann fromm. Der Mensch muss erst in den Himmel kommen, und dann wird er ein andrer Mensch. Das ist eben die wunderbare Beschaffenheit gerade der christlichen Religion. Der ist verloren, der erst alles tun will, um in den Himmel zu kommen. Nein, erst musst du in den Himmel kommen und selig werden, und dann fängst du an, Gott zu danken. Daher sagt Luther, die christliche Religion sei mit einem Wort eine Religion des Dankens. Alles Gute, was wir verrichten, tun wir nicht, um uns etwas zu erwerben. Wir wüssten auch gar nicht, wie wir es anfangen sollten, um etwas zu verdienen. Es ist uns ja schon alles geschenkt: Gerechtigkeit, unser ewiges Erbe, unsre Seligkeit. Nun gibt es nur zu danken (...). Darum sind auch das die rechten guten Werke, die wir aus Dankbarkeit gegen Gott tun. Wer im rechten Glauben steht, denkt gar nicht daran, sich etwas Gutes zu verdienen und erwerben zu wollen. Er kann eben nicht anders, als sich dankbar erweisen in der Liebe und guten Werken. Sein Herz ist anders geworden, sein Herz ist weich geworden durch den Überschwang der Liebe Gottes, die er erfahren hat. Und dann ist Gott so gnädig, dass er seine eignen Werke, die er in uns tut, belohnt.“ (C. F. W. Walther)

 

„Lass mich, o Herr, all des Guten gedenken, das du an mir von Jugend auf mein ganzes Leben lang getan. Denn ich weiß, dass die Undankbarkeit dir sehr missfällt; ist sie doch die Wurzel alles geistlichen Verderbens, und einem vertrocknenden und versengenden Wind gleich, der die Quelle deines göttlichen Erbarmens über den Menschen versiegen macht. Wie oft habe ich gesündigt, und jener alte Drache war bereit, mich zu verschlingen; aber du, o Herr, tratst ihm entgegen. Ich war hinabgestiegen bis zu der Hölle Pforten, aber du hieltest mich zurück, dass ich nicht versank; ich war nahe gekommen dem Haus des Todes, aber du führtest mich wieder herauf. Auch von dem Tod dieses Leibes hast du mich oft errettet, da starke Krankheiten mich befallen hatten, da ich in Gefahren war zu Wasser und zu Land, da mir Feuer und Schwert drohten. Du wusstest es, o Herr, wenn ich damals gestorben wäre, so wäre ich ein Kind der ewigen Verdammnis geworden. Aber deine Gnade und dein Erbarmen kamen mir entgegen, ohne dass ich dich noch gekannt hätte. Nun da ich dich erkenne, Herr mein Gott, empfinde ich, wie schwach ich bin, dir gebührend zu danken. Doch sei alles dein, was ich lebe; mein ganzer Geist, mein ganzes Herz, mein ganzer Leib, mein ganzes Leben soll dir leben, du mein süßes Leben. Ganz hast du mich frei gemacht, ganz sollst du mich haben; ganz hast du mich hergestellt, ganz sollst du mich nehmen. Ich will dich lieben, Herr meine Stärke, ich will dich lieben, du meine unaussprechliche Wonne.“ 

Soliloquia (Augustini)