Die Bibel bezeugt vielfach, dass Gott, wenn er etwas will, durch nichts daran gehindert werden kann. Denn Gott ist einer, der, was er will, auch kann. Und das ist ein großes Glück, weil er die Macht in Jesus und hinter Jesus ist. Nur Gottes Allmacht bietet Gewähr dafür, dass Jesu Verheißungen wahr werden. Jesu Liebe wäre hilflos, wenn nicht das Durchsetzungsvermögen des Allmächtigen ihren Hintergrund bildete. So aber dürfen wir zuversichtlich erwarten, dass am Ende der Weltgeschichte alle Macht liebevolle Macht – und alle Liebe mächtige Liebe sein wird.                                

Gottes Allmacht

Kann Gott alles, was er will?


Der 33. Psalm ist in der Bibel treffend überschrieben. Denn es steht da als Überschrift: „Ein Loblied auf Gottes Allmacht und Hilfe“. In der Tat freut sich der Psalmbeter, den allmächtigen Gott hilfreich an seiner Seite zu wissen. Und wenn man genau hinhört, so gibt er sogar eine Definition dessen was er unter Gottes Allmacht versteht. Denn im 9. Vers heißt es: „Wenn er spricht, so geschieht's; wenn er gebietet, so steht's da.“ Dem bibelkundigen Hörer ist diese Feststellung natürlich nicht neu, sondern sie erinnert ihn an die Schöpfungsgeschichte, wo Gott ja auch kein anderes Werkzeug benutzt als nur sein gebietendes Wort: Jeder Schöpfungstag beginnt damit, dass Gott spricht: „Es werde....“ Und wenig später wird der Vollzug gemeldet mit den Worten: „Und es geschah so.“ Doch ist die Schöpfungserzählung längst nicht der einzige Beleg für Gottes Allmacht, sondern die ganze Bibel ist voll von Berichten, die uns Gottes unumschränkte Macht ganz im Sinne des 33. Psalms veranschaulichen: Wenn Gott will, dann steht die Sonne still. Wenn er will, teilen sich die Wasser des Meeres. Wenn er will, fällt Feuer vom Himmel. Wenn er will, stehen Völker gegeneinander auf. Wenn er will, werden Tote wieder lebendig. Wenn er will, macht er mit fünf Broten und zwei Fischen 5000 Menschen satt. Ja, zahllos sind die biblischen Texte die das Psalmwort bestätigen: „Wenn er spricht, so geschieht's; wenn er gebietet, so steht's da.“ Überall im Alten und im Neuen Testament erfahren wir, dass Gott, wenn er etwas will, durch nichts und niemand daran gehindert werden kann. Sein Wille ist im wahrsten Sinne des Wortes „unwiderstehlich“. Denn Gott ist einer, der, was er will, auch kann. Und genau dieses Können ist es, was das Glaubensbekenntnis meint, wenn es von Gottes „Allmacht“ spricht. So weit – so gut. Nur ist es auf diesem Hintergrund erstaunlich, dass die Theologie der Gegenwart von Gottes Allmacht nicht mehr viel wissen will und sie nur ungern thematisiert. Ja, es gibt Geistliche, denen das Wort „Allmacht“ gar nicht mehr über die Lippen kommt, weil sie es lieber umgehen und durch andere Worte ersetzen. Sie bekennen sich höchst ungern zu einem allmächtigen Gott. Woher aber kommt dieses Unbehagen? Was ist anstößig an dem, was der 33. Psalm so fröhlich bekennt? Nun, es ist nicht schwer zu erraten. Denn nehmen wir Gottes Allmacht ernst, so müssen wir in ihm den Regenten dieser Welt sehen, den Lenker aller Schicksale. Und wenn er das wirklich ist, so fällt ihm auch Verantwortung zu für das, was schief geht. Hat Gott tatsächlich Macht über alles, so muss er auch Macht haben über das Elend und das Leiden der Welt. Gebraucht er diese Macht aber nicht, um das Leid zu beenden – scheint er es zu wollen, indem er es bewirkt oder wenigstens zulässt – so gerät Gott um seiner Allmacht willen ins Zwielicht. Rätselhaft erscheint uns dann dieser allmächtige Gott – und manchmal auch richtig grausam. Denn bei tragischen Todesfällen kann man kaum begreifen, dass solches Unglück „Gottes Wille“ gewesen sei. Man kann es nicht verstehen. Man kann es schon gar nicht erklären. Und so ist die Versuchung groß, dem Problem auszuweichen, indem man Gottes Allmacht verschweigt oder leugnet. Ja, auch Pfarrer wollen Gott auf diese Weise in einem freundlicheren Licht erscheinen lassen. Und sie meinen’s gut, denn ihre Aufgabe ist es, Menschen in eine positive Beziehung zu Gott zu bringen. Um die möglich zu machen, möchten sie Gott lieber nicht durch Allmacht belasten, sondern durch Ohnmacht entschuldigen. Denn ein hilfloser Gott, der nichts ändern könnte, ein Gott, dem die Hände gebunden wären und der sich solidarisch mitleidend an die Seite der Machtlosen stellte – der wäre in einer Welt voller Leid viel leichter zu vertreten. Er böte weniger Angriffsfläche und erschiene „sympathischer“. Nur: Wäre es noch der Gott der Bibel? Und wäre es der Gott Jesu Christi? Die Bestreiter der Allmacht berufen sich gern auf Jesu Passion. Denn am Kreuz geht er tatsächlich nicht den Weg der Macht, sondern entäußert sich aller Macht. Jesus trumpft nicht auf und ruft auch kein Engelheer zu Hilfe, sondern liefert sich wehrlos aus. Nur: Kann man daraus schon folgern, der Gott der sich in Christus offenbart, sei kein „allmächtiger“ Gott? Widerruft die Selbsthingabe Christi das, was die Heilige Schrift im Übrigen über Gott zu sagen weiß, oder ist es nicht gerade die Pointe des Kreuzesgeschehens, dass der allmächtige Vater eins ist und eins bleibt mit dem Sohn, der den Weg der Liebe und des Leidens geht? Tatsächlich haben die, die Gottes Allmacht verschweigen, nicht bedacht, dass der Opfertod Jesu eine nutzlose Tragödie geblieben wäre, wenn sich Gott nicht am Ostermorgen herrlich und vor allem mächtig zu seinem Sohn bekannt hätte. Das Kreuz wäre kein Siegeszeichen, wenn nicht die Auferstehung als ein Signal göttlicher Kraft und Autorität es dazu gemacht hätte. Und darum kann der Machtverzicht Jesu auch unmöglich als Argument gegen die Allmacht Gottes herhalten: Denn Gott ist ja gerade die Macht in Jesus und hinter Jesus. Gerade der Allmächtige ist es, der Jesu Wort beglaubigt und damit Jesu Werk Bedeutung verleiht. Nur Gottes Allmacht bietet Gewähr dafür, dass Jesu Verheißungen wahr werden. Und darum gilt es – auch wenn’s unpopulär ist – am Bekenntnis zum Allmächtigen festzuhalten. Denn stünde hinter Jesus nicht der allmächtige Vater, so könnte uns Jesu Wort nicht mit Hoffnung erfüllen. Die Liebe Jesu wäre hilflos und stünde auf verlorenem Posten, wenn nicht das Durchsetzungsvermögen des Allmächtigen ihren Hintergrund bildete. Der gute Wille zur Erlösung wäre vergebens, wenn ihm nicht Gottes Arm die nötige Schlagkraft verliehe. Und darum ist es Unsinn, Gottes Allmacht zu verschweigen oder einzuschränken, die doch den Grund unserer tröstlichen Gewissheit bildet: Nur weil Gott allmächtig ist, sind wir in seiner Hand sicher geborgen. Nur weil seine Kraft ohne Grenze ist, vermag sie unsere Lasten zu tragen. Nur weil Gottes heilvoller Wille unwiderstehlich ist, wissen wir, dass er unfehlbar das Ziel unserer Vollendung erreichen wird. Und so hängt – bei Lichte besehen – unser ganz persönliches Heil an der Wahrheit jenes Satzes: „Wenn er spricht, so geschieht's; wenn er gebietet, so steht's da.“ Gott ist tatsächlich der, der, was er will, auch kann. Wenn er aber nicht immer will, was wir meinen, das er wollen sollte, dann ist das kein Grund an seiner Macht und Freiheit zu zweifeln, sondern dann müssen wir mit dieser seiner Freiheit zu leben lernen und müssen die Wahrheit aushalten, dass unter Gottes Allmacht in der Tat nichts geschehen kann als allein das, was er geschehen lässt. Das birgt dann gewiss manche Anfechtungen, weil wir leidend daran leiden, dass Gott es nicht anders will. Wir leiden nicht mehr an irgendwas, sondern leiden an diesem Gott, der partout nicht will, wie wir wollen. Und das ist schwer durchzuhalten. Doch bieten uns diejenigen die Gottes allmächtiges Regieren verschweigen, keine Alternative. Denn sie meinen zwar Gottes Ehre zu retten und ihn weniger angreifbar zu machen. Sie wollen ihn entschuldigen und rechtfertigen, gerade als wäre er kein Richter, sondern ein Angeklagter, der ihre Verteidigung nötig hätte. In Wahrheit aber entziehen sie dem Glauben jeden Trost, weil ein ohnmächtiger oder nur begrenzt mächtiger Gott dem Satan gegenüber nicht das letzte Wort behalten könnte. Man müsste dann für denkbar halten, dass Gott den Kürzeren zieht. Und der Glaube würde den Boden unter den Füßen verlieren. Denn die Macht, die man leugnet, wenn man Gottes Allmacht leugnet, ist die Macht, die hinter dem Evangelium steht. Es ist die Macht, die sich in Christus an die Liebe gebunden hat. Es ist die Macht, die die Erfüllung aller Verheißungen garantiert. Es ist die Macht, die allein uns erwarten lässt, dass am Ende der Weltgeschichte alle Macht liebevolle Macht – und alle Liebe mächtige Liebe sein wird. Dies aber in Zweifel zu ziehen, ist keine gute Idee, und schon gar kein Evangelium. Sondern im Gegenteil ist dies eine gute Nachricht, wenn wir dem biblischen Zeugnis glauben, dass gegen Gottes guten Willen kein Kraut gewachsen ist. Jesus sagt, dass bei Gott alle Dinge möglich sind. Nichts ist im Himmel und auf Erden, das ihn an der Durchsetzung seines Willens hindern könnte. Niemand hält ihn auf. Keiner vermag Gott einen Weg zu verstellen – und das ist wahrlich gut so. Lassen wir uns also nicht auf falsche Fährten locken. Und lassen wir uns bezüglich einer Eigenschaft Gottes, die die Heilige Schrift unmissverständlich bezeugt, keine Zweifel einreden. Denn man löst keine theologischen Probleme, indem man das biblische Zeugnis ignoriert, aus dem sie entstehen. Aber man stärkt die christliche Zuversicht, wo man sich fröhlich zur Allmacht bekennt: Gottes Arm ist länger als der Arm seiner Feinde. Sein guter Wille ist unwiderstehlich. Und wenn sich der Pulverdampf der Weltgeschichte eines Tages verzogen haben wird, dann wird Gott sich als letzter über dem Staub erheben und wird genau das tun und erfüllen, was er von Anbeginn versprochen hat. Weil er’s aber tun wird um unseretwillen und mächtig sein wird zu unserem Besten, darum können wir schon heute in den Jubel des 33. Psalms einstimmen: „Wenn er spricht, so geschieht's; wenn er gebietet, so steht's da.“