WEIHNACHT

 

„Es waren ein reicher Mann und eine reiche Frau. Da geschah der Frau ein Unfall, sodass sie ein Auge verlor; darüber war sie sehr traurig. Da kam der Mann zu ihr und sagte: »Herrin, warum seid Ihr so traurig? Ihr sollt nicht traurig sein, dass Ihr Euer Auge verloren habt.« Da sprach sie: »Herr, ich bin nicht traurig, weil ich ein Auge verloren habe, aber ich bin betrübt, weil ich glaube, Ihr werdet mich jetzt weniger lieb haben.« Da sagte er: »Herrin, ich habe Euch lieb.« Nicht lange danach stach er sich selbst ein Auge aus und kam zu der Frau und sprach: »Herrin, damit Ihr nun glaubt, dass ich Euch lieb habe, habe ich mich Euch gleich gemacht; ich habe nun auch nur noch ein Auge.« So ist der Mensch: der konnte kaum glauben, dass Gott ihn so lieb hatte, bis dass Gott sich selbst ein Auge ausstach und menschliche Natur annahm.“ (Meister Eckhart)