HIMMEL

 

„Was also ist meine Hoffnung? Nicht wahr, der Herr? Herr Jesu, wie lange wird es währen, dass ich zu dir komme? Wann werde ich erscheinen vor deinem Angesicht? Ps. 42,3. Wie der Hirsch schreiet nach frischem Wasser, so schreiet meine Seele, Gott, zu dir! Ps. 42,2. O wahre, und vollkommene und volle Freude! O Freude über Freude, die über alle Freude geht, außer der es keine Freude gibt; wann werde ich eingehen zu dir, dass ich meinen Gott schaue, der in dir wohnet? Herr, du erfreuest mich mit Freuden deines Antlitzes Ps. 21,7; liebliches Wesen ist zu deiner Rechten ewiglich Ps. 16,11; ich werde trunken werden von den reichen Gütern deines Hauses, und du wirst mich mit Wollust tränken als mit einem Strome; denn bei dir ist die lebendige Quelle Ps. 36,9.10. O ersehntes Leben! O seliges Glück, in dem die heilige Dreieinigkeit die Erfüllung unserer Verlangen sein wird, die ohne Ende geschauet, ohne Abnahme der Lust geliebt, ohne Ermüdung gelobt werden wird! Gott schauen wird über alle Freuden gehen. Christum sehen, mit Christo leben, Christum hören wird alles, was unser Herz sich ersehnen kann, weit übersteigen. O Jesu Christe, süßester Bräutigam meiner Seele, wann wirst du deine Braut in den königlichen Palast einführen? Woran wird es da mangeln können? Was wird es da weiter zu wünschen oder zu erwarten geben können, wo Gott alles in allem sein wird? 1 Kor. 15,28. Schönheit wird er für das Gesicht, Süßigkeit für den Geschmack, Lobgetöne für das Gehör, Balsam für den Geruch, Pracht für das Gefühl sein. Alles wird Gott sein, und einem jeden wird er nach dem Wohlgefallen seines Herzens Güter zuteilen. Verlangst du Leben, Gesundheit, Frieden, Ehren: dort wird Gott alles in allem sein.“ (Johann Gerhard)

 

„Einer dreifachen Eitelkeit ist hier die Kreatur unterworfen. Die Vernunft leidet an Irrtümern, der Wille an Leidenschaften, das Gedächtnis an Vergessenheit. Einst soll es anders sein. Der Herr wird für die Vernunft die Fülle des Lichts, für den Willen der Reichtum des Friedens, für das Gedächtnis die Länge der Ewigkeit sein. O Wahrheit, o Liebe, o Ewigkeit! O selige und beseligende Dreieinigkeit, zu dir seufzt dein verderbtes Abbild empor, da es in so trauriger Fremde weilt und sich mit Irrtum, Schmerz und Schrecken plagt. Mein Herz ist zerrissen, daher der Schmerz; meine Kraft hat mich verlassen, daher der Schreck, und das Licht meiner Augen ist nicht bei mir, daher der Irrtum. Doch was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken, wenn ich einst von jener wunderbaren Klarheit, von jener vollen Liebe und jener endlosen Ruhe umgeben sein werde.“ 

Bernhard (+1153) 

 

„Das ist die reiche Seligkeit und volle Herrlichkeit des Menschen, das Angesicht seines Gottes zu schauen, den zu schauen, der Himmel und Erde gemacht, den zu schauen, der uns geschaffen, erlöst und erhöht hat. Das ist das Große, was du verheißen, o Herr, da du sprachst: Ich werde dein sehr großer Lohn sein. Wenn wir also dich sehen werden, den allein wahren, lebendigen, allmächtigen Gott und deinen eingebornen Sohn, gleiches Wesens und gleich ewig mit dir, unsern Herrn Jesum Christum, den du zu unserem Heil gesandt hast in der Kraft des heiligen Geistes, dann werden wir besitzen, was wir jetzt suchen, dann werden wir jenes Unaussprechliche genießen, das du bereitet hast denen, die dich lieben.“ 

Soliloquia (Augustini) 

 

„O du Leben, welches Gott denen bereitet hat, die ihn lieben, seliges, ruhiges, reines, heiliges Leben; Leben, das den Tod nicht mehr kennt und nichts von Traurigkeit weiß, Leben ohne Schmerz und Angst, ohne Vernichtung und Trübung, ohne Wechsel und Wandel, Leben voll Schönheit und Herrlichkeit; wo kein Feind mehr streitet, keine Sünde mehr lockt, wo die Liebe vollkommen und die Furcht vertrieben ist, wo ein ewiger Tag herrscht, wo Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut und durch dieses Lebensbrot die Seele ohne Unterlass gesättigt wird – gern kehre ich mich hin zu deiner Klarheit. Je mehr ich vermag, dich im Geiste zu betrachten, desto heftiger wird meine Liebe und mein Verlangen nach dir. Es ergötzt mich, von dir zu reden, zu hören, zu schreiben, täglich von deiner Herrlichkeit zu lesen und das Gelesene oft für mich zu wiederholen: auf dass ich also von der Hitze, den Gefahren und dem Schweiß dieser Zeit in den sanft kühlenden Strom deiner Lebenslust eintreten und das müde Haupt eine Weile zum Schlummer in deinen Schoß niederlegen könne. Darum besuche ich auch die lieblichen Auen heiliger Schrift, pflücke die frischesten Kräuter und hebe mir sie auf in der hohen Kammer des Gedächtnisses, damit ich so beim Schmecken deiner Süßigkeit die Bitterkeiten dieses traurigen Lebens weniger empfinde. O des glücklichsten Lebens, des wahrhaft seligen Reiches, ohne Tod, sonder Ende; wo der beständige Tag alle Zeit vergessen lässt, wo der siegreiche Streiter, mit den feiernden Chören der Engel vereint, Gott ohne Ende ein Lied singt von Zions Liedern (…). Möchten mir doch meine Sünden vergeben, die Bürde des Fleisches bald genommen und der Zutritt zu deinen Freuden gestattet werden!“ 

Meditationes (Augustini) 

 

„Einst wird uns nicht so sehr dies erfreuen, dass unser Kummer gestillt und großes Glück uns zu Teil geworden, als vielmehr, dass Gottes Wille in uns und an uns in Erfüllung gegangen; darum wir auch täglich im Vaterunser bitten, wenn wir sprechen: Dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden! O heilige und keusche Liebe, o süße und liebliche Empfindung! O reines und ungetrübtes Leben des Willens, wo nichts mehr von Eigenheit zurückgeblieben ist! So sein heißt Gott gleich werden. Wie ein kleiner Wassertropfen, unter vielen Wein geschüttet, ganz zu verschwinden scheint, da er Geschmack und Farbe des Weines annimmt; wie das Eisen sich ganz vom Feuer durchdringen lässt; wie die Luft, vom Sonnenscheine durchglänzt, in dieselbe Klarheit des Lichtes sich wandelt, so dass sie nicht sowohl erleuchtet, als selbst Licht zu sein scheint; so wird einst in den Heiligen alle menschliche Neigung zerfließen und sich ganz in den Willen Gottes auflösen. Denn wie sollte Gott alles in allen sein können, wenn irgend etwas im Menschen vom Menschen übrig bliebe? Verbleiben wird zwar das Wesen, aber in anderer Gestalt, in anderer Herrlichkeit, in anderer Kraft.“

Bernhard (+1153) 

 

„Heil denen, die aus den Gefahren dieses Meeres zu dir, o Gott, dem sichersten Hafen, gelangt sind. Heil ihnen, die von der Flut zum Gestade, von der Fremde zum Vaterland, aus dem Gefängnis in den Königspalast gekommen, jene Krone der ewigen Herrlichkeit, die sie hier unter Tränen suchten, gefunden haben! O herrliches Reich, wo immerwährende Freude die Häupter der Heiligen umschwebt, wo sie herrschen mit Licht angetan als mit einem Kleid! Wo die Jugend niemals altert, wo das Leben niemals endet, wo die Frische niemals erblasst, wo die Liebe niemals erkaltet, wo die Gesundheit niemals welkt, wo die Freude niemals abnimmt, wo Schmerz niemals gefühlt, Seufzen niemals gehört, etwas Trauriges nimmer empfunden wird. O unser Vaterland, sicheres Vaterland, wir sehen dich von ferne, wir begrüßen dich von diesem Meer aus, aus diesem Tal seufzen wir nach dir empor, und mühen uns unter Tränen, zu dir zu kommen.“ 

Soliloquia (Augustini)