BARMHERZIGKEIT

 

„Betrachte die früheren Wohltaten der göttlichen Barmherzigkeit, und du wirst über die beharrliche Dauer derselben nicht zweifeln. Da du noch nicht warest, hat dich Gott geschaffen; da du durch Adams Fall verurteilt warest, hat er dich erlöst. Da du außer der Kirche in der Welt lebtest, hat er dich berufen; da du in Unwissenheit warest, hat er dich unterwiesen; da du in der Irre gingst, hat er dich herum geholt; da du sündigtest, hat er dich zurecht gewiesen; da du standest, hat er dich gehalten; da du fielest, hat er dich aufgerichtet; da du gingst, hat er dich geleitet; da du zu ihm kamst, hat er dich aufgenommen. Im Warten offenbarte sich bei allem dem seine Langmut, im Vergeben seine Freundlichkeit. Die Barmherzigkeit Gottes ist dir zuvor gekommen, hoffe, dass sie dir auch folgen werde Ps. 23,6. Die Barmherzigkeit Gottes ist dir zuvor gekommen, damit du geheilt werdest; sie wird dir auch folgen, damit du verherrlicht werdest; sie ist dir zuvor gekommen, damit du fromm lebest, sie wird dir auch folgen, damit du in Ewigkeit mit ihm lebest. Warum bist du, da du fielst, nicht zu Grunde gegangen? Wer hat die Hand untergehalten? Wer als der Herr? Baue daher auch in’s Künftige auf die Barmherzigkeit Gottes, und hoffe fest auf das Ende des Glaubens, die ewige Seligkeit 1 Petr. 1,9. Denn in welchen Händen könnte der Grund deiner Seligkeit sicherer ruhen, als in denen, welche Himmel und Erde gemacht haben Jes. 66,2, in denen, welche nie zu kurz werden Jes. 59,1, in denen, welche voll sind des innigsten Erbarmens, und sich auftun dasselbe sich ausbreiten zu lassen?“ (Johann Gerhard)

 

„Dieses ist meine Meinung nicht, spricht Christus; sondern wenn euch gleich eure Nächsten beleidigt haben, wollt ihr Christen sein, so denkt, dass ihr barmherzig seid, und so barmherzig, wie euer Vater ist, sonst könnt ihr nicht seine Kinder, noch meine Brüder sein, der ich euch mit meinem Blut von Sünden und Tod erlöst habe. Denn das müsst ihr alle bekennen, dass ihr eurem Gott und Vater im Himmel alles Leid und viel Verdruss getan habt, und seine Gebote nicht gehalten, ja, alle über treten habt, so hätte er Ursache genug zu sagen: Sollte ich meinen Sohn für solche bösen Buben geben? Zum Teufel mit ihnen, in den Abgrund der Hölle (…). Also könnte Gott, spricht Christus, zu euch auch sagen: aber er tut es nicht, sondern über alle eure Bosheit fährt er zu und ist gütig und gnädig, gibt nicht allein Leib und Leben, Essen und Trinken, Weib und Kind, Nahrung und alle Notdurft zu diesem Leben, sondern auch seinen Sohn und das ewige Leben. Solche Barmherzigkeit sollt ihr auch lernen üben. Denn wo schon jemand dich beleidigt, und getan hat, das dir nicht gefällt: was ist das gegen dem, dass du so oft und schwer gegen Gott getan hast? So nun Gott eine so große Barmherzigkeit hat, dass er seinen Feinden seinen eingeborenen Sohn schenkt, dass sie durch ihn erlöst werden von der Sünde und Tod; begibt uns dazu Seele, Leib, Gut und alles, was wir bedürfen, da er ja eigentlich Strafen ja, Hagel, Donner, Blitz und höllisches Feuer, und noch viel mehr Unglück schicken sollte: so lerne du auch an diesem Beispiel, dass du sagen kannst: Ob mich wohl dieser oder jener stark beleidigt hat, dass ich ihm wünschen würde es sollten ihn die Maden fressen, so will ich es doch nicht tun. Denn dieses wäre nur eine heidnische, und nicht eine christliche Barmherzigkeit. Hat er mir Übel und Unrecht getan: nun, wer weiß, wie ich es verdient hätte. Ich will ihn darum jetzt nicht, da er meiner Hilfe bedarf, laufen lassen; denn ich sehe, dass er Hilfe bedarf und ich ihm helfen kann. Also tut mein Vater im Himmel doch auch mit mir.“ (Martin Luther)

 

„Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“ Mt. 5,7. Es geziemt sich nicht, dass dem, der nicht vergeben will, vergeben wird, und dem Mangel dessen, der den Armen nicht helfen will, soll auch nicht abgeholfen werden. Gott wird uns mit unsrem eignen Maß messen, und die, welche harte Herren und harte Gläubiger gewesen sind, werden finden, dass der Herr hart mit ihnen verfahren wird. „Es wird aber ein unbarmherziges Gericht über den gehen, der nicht Barmherzigkeit getan hat.“ Heute lasst uns versuchen, zu vergeben. Lasst uns tragen und ertragen. Lasst uns freundlich und sanft und milde sein. Lasst uns das Tun andrer nicht zu strenge auslegen, nicht beim Kaufen zu sehr feilschen, nicht alberne Zänkereien anfangen, nicht so schwierig sein, dass niemand es uns recht machen kann. Gewiss, wir wünschen, gesegnet zu werden, und wir wollen gern Barmherzigkeit erlangen: lasst uns barmherzig sein, damit uns Barmherzigkeit werde.“ (Charles H. Spurgeon)