Man sollte den Teufel weder unterschätzen noch überschätzen – denn beides wäre ihm willkommen. Wo man ihn nicht ernst nimmt, weil man ihn für ein Fabelwesen hält, da hat er leichtes Spiel. Wo man ihn aber zu ernst nehmen wollte, da täte man ihm zu große Ehre an, die der ewige Verlierer nicht verdient. Halten wir uns besser in der Mitte. Und halten wir uns vor allem nahe bei Christus. Denn eine Gefahr ist er nur, wo wir uns von Christus entfernen. Satan will versuchen, verklagen und verderben. Christus aber ist des Teufels Teufel.

Das Böse in Person

Welche Rolle spielt der Teufel?


Der Teufel ist kein schönes, aber ein wichtiges Thema, weil er in unauffälliger und alltäglicher Weise unser Leben mitbestimmt. Ja, Satan ist kein Fabelwesen und keine mythologische Figur. Er ist nicht identisch mit den albernen Klischees, die man pflegt, sondern er ist machtvolle Wirklichkeit. Denn wäre es anders, so würde ja das Neue Testament nicht so häufig und so nachdrücklich vom Teufel reden. Wollen wir also nicht annehmen, Jesus habe sich bei seiner Versuchung mit einer Phantasiegestalt herumgeschlagen, wollen wir nicht unterstellen, er habe Dämonen ausgetrieben, die es gar nicht gibt, so müssen wir den Teufel ernst nehmen und müssen begreifen, dass er auch für uns ein gefährlicher Gegner ist. Weil man seinen Gegner aber kennen muss, und sich nur wehren kann, wenn man über ihn Bescheid weiß, darum will ich heute die Lebensgeschichte des Teufels erzählen… Freilich: Hat der so etwas überhaupt? „Hat der Teufel eine Biographie?“, werden sie fragen, „So mit Anfang und Ende?“ Es ist wichtig, dass wir diese Frage bejahen können! Denn das bedeutet ja immerhin, dass der Teufel nicht ewig ist. Er ist zum Glück nicht von göttlicher Art, wie manche denken, und er ist auch kein Gegengott, der unserem Schöpfer auf Augenhöhe begegnen könnte, sondern er ist nur ein Geschöpf. Er wurde zu einem Zeitpunkt, den wir nicht kennen, von Gott geschaffen – wurde aber nicht etwa als Inbegriff der Bosheit geschaffen, sondern war ganz im Gegenteil ein hoher und herrlicher Engel, ausgestattet mit großer Macht und bestimmt zum Guten. Ja, ein hoher Engel war Luzifer, ein privilegierter Diener des Allmächtigen – das erklärt sowohl seine Klugheit als auch die Faszination, die bis heute von ihm ausgeht! Aber eben das, was er war, ein privilegierter Diener des Allmächtigen, wollte Luzifer um keinen Preis sein. Denn er konnte nicht ertragen, dass da noch einer über ihm stand. Er war zwar an Gottes Vollkommenheit viel näher dran, als wir das sind – von seinen Kräften und Begabungen können wir nur träumen! Aber die letzte Grenze, die auch das vollkommenste Geschöpf noch von Gott unterscheidet, die wollte Luzifer nicht gelten lassen, wollte nämlich Gott nicht Gott sein lassen, sondern wollte selber Gott sein. Der hochgestellte Engel wollte noch höher hinauf – und stürzte dabei ganz tief. Denn indem er seine Macht, die ihm von Gott verliehen war, gegen Gott einsetzte, verkehrte er all sein Gutes zum Bösen und fiel aus der Gemeinschaft Gottes heraus – aus dem Himmel auf die Erde. Er wurde von Gott verstoßen und ist seither dazu verdammt, an seiner eigenen Bosheit zu leiden, Gott verzweifelt zu hassen und ihn doch niemals los zu werden. Womit aber rächt sich so einer? Was tut er? Nun, Luzifer denkt genau so, wie Neid und Zorn es auch uns manchmal eingeben: „Was ich nicht haben kann, soll auch kein anderer haben!“ sagt er sich. „Und wenn ich nicht an Gottes Stelle die Welt regieren kann, so will ich diese Welt zerstören und will verbrannte Erde hinterlassen.“ Denn der Teufel weiß, wie sehr Gott seine Schöpfung liebt. Seine Rache soll Gott weh tun! Weil er aber an Gott nicht herankommt und gegen Gott nichts vermag, darum greift der Teufel nach den Geschöpfen, an denen Gott seine Freude hat, und greift vor allem nach dem Menschen. Was aber ist der denkbar schwerste Schaden, den er einem Menschen zufügen kann? Womit kann er ihn am wirksamsten und am nachhaltigsten treffen? Damit, dass er diesen Menschen von Gott trennt und ihn mit hineinzieht in sein eigenes elendes Geschick! Luzifer wollte Gott gleichen und konnte es nicht. Nun aber will er die Menschen auf denselben Irrweg führen, damit Gott auch die Menschen verdammen und verwerfen muss, und hinterher an dieser Trennung und Verwerfung selber leidet. Von daher ist zu verstehen, dass der Teufel drei Lieblingsbeschäftigungen hat, denen er nachgeht, wo immer er kann: Nämlich das Versuchen, das Verklagen und das Verderben. Zuerst führt er die Menschen in Versuchung, so wie die Schlange im Paradies, damit Menschen gegen Gottes Wort und Gebot verstoßen. Genau wie Satan selbst sollen auch sie gegen die Grenzen aufbegehren, die Gott ihnen gesetzt hat. Auch sie sollen die Gemeinschaft mit Gott aufkündigen durch törichte und stolze Gedanken, Worte und Werke. Wenn der Teufel das aber erreicht hat, wenn er unsere schwachen Punkte gefunden und genutzt hat, dann verschafft er sich Gehör bei Gott, um die, die er selbst verführt hat, anzuklagen und zu denunzieren. „Schau her!“, sagt er zu Gott, „der da und der und der, – die sind alle so wie ich! Die gehören alle zu mir!“ Er breitet vor Gott unsere Sünden aus, er schwärzt uns an. Und weil er weiß, dass Gott gerecht ist und mit seinen Geboten keine Scherze treibt, kann er sicher sein, dass die Übeltäter verurteilt werden. Sind die Menschen aber erst einmal von höchster Instanz schuldig gesprochen, so reibt sich der Teufel die Hände. Denn er ist nicht nur Versucher und Ankläger, sondern ist mit großer Freude auch der Kerkermeister, der die Bestrafung übernimmt. Die Strafe aber besteht darin, dass die Seelen, die sich auf die Seite des Teufels haben ziehen lassen, mit ihm zusammen die Ewigkeit verbringen müssen – fern von Gott, und damit fern von allem Trost. Ja, versuchen, verklagen und verderben, das ist das dreifache Geschäft des Teufels. Und sein Geschäft läuft gut! Der Teufel ist darin so schrecklich erfolgreich, dass er von Adam und Eva an die gesamte Menschheit in den Griff bekommen hat. Es ist ihm gelungen, zwischen Gott und die Menschheit einen Keil zu treiben. Er hat es geschafft, die Menschheit in sein eigenes Geschick mit hineinzuziehen. Und die Entfremdung, die dabei zwischen uns und unserem Schöpfer entstand, ist so groß, dass in der Perspektive vieler Menschen Gott als ein Teufel erscheint, und in der Perspektive Gottes wohl auch viele Menschen wie Teufel wirken. Kann jemand ermessen, wieviel Schmerz das bedeutet – nicht nur für uns, sondern auch für Gott? Doch die Lebensgeschichte des Teufels ist nur am Anfang eine Erfolgsgeschichte. Sie nahm vor 2000 Jahren eine unerwartete Wende. Denn als Jesus von Nazareth geboren wurde, geriet der Teufel in eine schwere Krise, von der er sich nicht mehr erholt hat – und sich nie mehr erholen wird. Bis dahin waren alle Menschen Sünder gewesen. Dieser Jesus aber war es nicht. Bis dahin waren alle mehr oder weniger ungehorsam gegen Gott. Dieser aber war’s nie. Alle waren verstrickt in den Teufelskreis von Eigensucht, Misstrauen, Schuld und Strafe. Aber Jesus war von alledem eigentümlich frei. Und das, obwohl der Teufel es sehr wohl bei ihm versucht hat! Im Neuen Testament lesen wir, wie er Jesus in Versuchung führte. Der Teufel hat ihm mehr als eine Falle gestellt. Als er aber merkte, dass er diesen einen Menschen nicht auf seine Seite ziehen und nicht korrumpieren konnte – als er merkte, dass Jesus drauf und dran war, die Distanz zwischen Gott und Mensch zu überbrücken – da beschloss der Teufel, ihn zu töten. Er schürte den Zorn der Pharisäer und der Schriftgelehrten, er fuhr in Judas hinein und bediente sich des Pilatus, er nutzte seine Macht über die Menschen, um Jesus ein schreckliches Ende zu bereiten. Wahrscheinlich hat er vor Freude getanzt, als Jesus ans Kreuz geschlagen wurde. Denn der Teufel meinte, er hätte Jesus mundtot gemacht und hätte ihn zur Hölle geschickt – ja, er meinte wohl, er hätte da eine besonders fette Beute verschlungen. Aber dieser Bissen sollte ihm im Halse stecken bleiben. Denn Satan begriff nicht wirklich, mit wem er es da zu tun hatte. Er hatte mit seinen schmutzigen Händen nicht bloß nach einem Menschen, sondern nach Gott selbst gegriffen. Gott selbst war der Mensch, über den sich der Teufel hergemacht hatte. Gott selbst hatte er angetastet. Und das sollte dem Teufel übel bekommen. Denn nun hatte Gott selbst am Kreuz für die Sünden der Menschheit gebüßt. Ein Unschuldiger hatte für alle Schuldigen die Rechnung beglichen. Gottes Sohn war durch die Hölle gegangen und hatte von dort mitgenommen, wen er wollte. Das heißt aber: Seit Luzifer mit dem Gekreuzigten zu tun bekam, war er nicht mehr Herr im eigenen Haus. Er war einem Stärkeren begegnet. Er hatte sich mit dem Falschen angelegt. Und als Christus am Ostermorgen auferstand, da war des Teufels Schicksal besiegelt. Denn von da an stand fest, dass er der ewige Verlierer sein würde. Christus hatte einen Weg gefunden, wie auch dem größten Sünder Vergebung zuteil werden kann. Und seitdem hat der Teufel, wo man sich auf Christus beruft, alle Rechte verwirkt. Seine Schlingen binden nicht länger und seine Trümpfe stechen nicht mehr. Der Tod ist überwunden, die Hölle zerstört, die Schuld vergeben, die Strafe getragen, das Himmelstor steht offen. Und der Teufel? Ist der überhaupt noch da? Täuschen wir uns nicht, er ist noch da. Trotz seiner großen Niederlage, von der er sich nicht mehr erholen wird, wäre es doch falsch, ihn jetzt schon für ungefährlich zu halten. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass gerade eine angeschossene und schwer verwundete Bestie besonders gefährlich sein kann. Der Teufel ist zweifellos tödlich getroffen. Er weiß selbst, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt. Aber gerade darum wütet er umso heftiger und versucht noch möglichst viele von uns in seinen Untergang mit hineinzuziehen. Er kann das Blatt nicht mehr wenden, aber er nutzt dennoch den Bewegungsspielraum, den Gott ihm noch lässt. Warum aber duldet ihn Gott? Warum hat er ihm nicht längst das Licht ausgeblasen? Nun, ich meine, dass Gott sich des Teufels bedient, wie man sich eines bösen Kettenhundes bedient. Wenn die Gläubigen ihm begegnen, werden sie dadurch geprüft, gerüttelt und geschüttelt – sie bewähren sich im Widerstehen, werden gefestigt und geläutert. Wenn aber die Ungläubigen ihm begegnen, können sie immerhin erschrecken, wachen auf, und haben dann Gelegenheit, von dem Weg umzukehren, der in die Arme des Teufels führt. Solche Gründe müssen es wohl sein, die Gott bewegen, den Satan noch zu dulden. Für den Teufel selbst aber muss es bitter sein, für solch gute Zwecke herzuhalten. Denn wenn ihn Gott in Dienst nimmt, ist er am Ende ja genau das geworden, was er auf keinen Fall sein wollte: Er ist dann zu Gottes Werkzeug geworden – und ist es wider Willen. Denn Gott sorgt dafür, dass seine Bosheit zum Guten ausschlägt, so dass selbst der Teufel zum Gelingen göttlicher Pläne beitragen muss, und miterlebt, wie diese heilvollen Pläne über ihn hinwegrollen. Am Ende freilich, wenn Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde schafft, hat für den Teufel die Stunde geschlagen. Denn in Gottes neuer Welt wird kein Platz mehr für ihn sein, und seine Lebensgeschichte, das darf man ganz ohne Sentimentalität sagen, wird dann beendet. Denn der Teufel wollte zwar Gott sein. Aber Gott will kein Teufel sein – und will auf die Dauer auch keinen Teufel dulden. Er lässt darum den bösen Engel, den er einst als einen guten schuf, in dem Nichts versinken, aus dem er ihn gerufen hat – und das ist für alle Beteiligten das Beste. Was folgt aus alledem? Es folgt, dass wir den Teufel weder unterschätzen noch überschätzen sollten – denn beides wäre ihm willkommen. Wo man ihn nicht ernst nimmt, weil man den Teufel für ein Fabelwesen hält, da hat er leichtes Spiel. Wo man ihn aber zu ernst nehmen wollte, da täte man ihm zu große Ehre an, die der ewige Verlierer nicht verdient. Darum halten wir uns besser in der Mitte – und halten uns vor allem ganz nahe bei Christus. Denn eine Gefahr ist der Teufel nur, wo wir uns von Christus entfernen. Sind wir nicht bei Christus, so sind wir leichte Beute und haben allen Grund vor dem Teufel zu zittern. Sind wir aber dicht bei Christus, wie das Kind am Hosenbein des Vaters, so dürfen wir den Teufel fröhlich verspotten. Da „mag der Teufel mit seinem großem Ungestüm gegen den Gläubigen anrennen,“ sagt Martin Luther, „...so fasst der Gläubige doch mitten in den Schreckensfluten Hoffnung und spricht: Herr Teufel, wolle nicht so wüten, sondern mäßigt euch, denn es ist einer, der Christus genannt wird; an den glaube ich. Der hat das Gesetz abgetan, die Sünde verdammt, den Tod abgetan und die Hölle zerstört. Der ist Teufel dein Teufel; denn dich hat er gefangen genommen und besiegt, so dass du mir und allen Gläubigen nicht weiter schaden kannst.“ „Diesen Glauben kann der Teufel nicht besiegen“ sagt Luther, sondern „er wird durch diesen Glauben besiegt.“ Darum gebe Gott, dass wir uns alle von solchem Glauben eine Scheibe abschneiden.