Theologie gibt Rechenschaft vom Glauben nach „außen“ hin, indem sie sich erklärend und argumentierend den kritischen Fragen der Nicht-Gläubigen stellt. Und sie verantwortet den Glauben genauso nach „innen“, indem sie den Gläubigen hilft, sich ihrer Glaubensgrundlagen immer wieder zu vergewissern. Um diese Aufgaben zu erfüllen muss Theologie (1.) „schriftgemäß“ sein, (2.) „zeitbezogen“ und (3.) „widerspruchsfrei“. Geht sie aber fehl und verrennt sich, so hilft nur eine Rückkehr zu den neutestamentlichen Quellen, wie sie schon die Reformatoren vollzogen haben.
Die gute Rechenschaft vom Glauben
Es gibt im Neuen Testament einen Vers, der mir persönlich wichtig ist, weil er die Aufgabe der Theologie und der Theologen beschreibt. Petrus sagt nämlich: „Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist.“ (1. Petr 3,15) Nun gilt diese Aufforderung nicht nur Pfarrern, sondern allen Christen. Jeder Christ ist gefordert, mit Wort und Tat für seinen Glauben einzustehen. Die Theologen aber machen das beruflich und machen es zu ihrer Lebensaufgabe, damit jene „Rechenschaft vom Glauben“ auf professionelle und glaubwürdige Weise gegeben wird. Theologie verantwortet den Glauben nach außen hin, indem sie sich erklärend und argumentierend den kritischen Fragen der Nicht-Gläubigen stellt. Und sie verantwortet den Glauben genauso nach innen, indem sie den Gläubigen hilft, sich ihrer Glaubensgrundlagen immer wieder zu vergewissern und das Evangelium immer besser zu verstehen. Theologie beschreibt die Grenze, wo biblischer Glaube aufhört und Irrglaube anfängt. Und sie beschreibt das verbindliche Bekenntnis der Kirche, in dem alles öffentliche Predigen übereinstimmen muss. Theologie versucht Gottes Gedanken nach-zudenken und nach-zuvollziehen, um die Weisheit des biblischen Wortes immer tiefer zu durchdringen. Und sie formuliert die christliche Wahrheit immer wieder neu in der Sprache der jeweiligen Zeit, damit auch nachwachsende Generationen darin die ewige Wahrheit erkennen. Denn wie könnte jemand an Jesus Christus glauben, wenn er nicht von ihm gehört hätte? Wie aber sollte er von ihm hören, wenn Christen nicht von ihm redeten? Und wie sollten die verständlich von Jesus reden, wenn sie seine Botschaft selbst nicht verstanden und gründlich durchdacht hätten? Nur wer für sich selbst Klarheit hat, kann anderen ein klares Zeugnis geben! Und das dazu nötige gründliche Durchdenken des Glaubens, in dem sich die Christenheit ihrer Grundlagen vergewissert, diese kritische Selbstprüfung nennen wir Theologie! Wenn sie gut und sorgfältig betrieben wird, ist das eine ebenso schöne wie notwendige Beschäftigung. Denn Theologie ist die Art, wie der Glaube über sich selbst nachdenkt. Und wenn deswegen auch nicht jeder Christ Theologie studieren muss, kann Kirche diese Form der Selbstprüfung doch aufs Ganze gesehen nicht entbehren. Wie der einzelne Mensch hat auch die Kirche Selbstreflektion nötig, damit sie bei ihrer Sache bleibt. Und darum ist es gut, wenn sich immer wieder junge Christen auf die Theologie einlassen und im Studium lernen, stellvertretend für andere auf wissenschaftlichem Niveau der Aufforderung des 1. Petrusbriefes Folge zu leisten: „Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist.“ Stellvertretend für andere setzen sich Theologen vielen Fragen und Zweifeln aus und lassen ihren Glauben durch eine Feuerprobe kritischer Hinterfragung gehen, damit sie nach dieser Belastungsprobe das, was sich bewährt und als verlässlich erwiesen hat, an die Gemeinden weitergeben können. Ja, Theologen lernen, mit den Waffen des Verstandes für die Ehre Gottes einzutreten! Wenn darin aber ihr Geschäft besteht, das Evangelium gedanklich zu durchdringen, es zu verteidigen und es jedermann verständlich darzulegen – warum hat die Theologie dann einen so zweifelhaften Ruf? Warum sind viele Christen völlig desinteressiert an theologischen Fragen? Und warum wird Theologie als Wissenschaft weniger ernst genommen als etwa Physik? Ich fürchte, die Antwort ist recht einfach. Viele Menschen haben den Eindruck, in der Theologie ginge es nicht um greifbare Fakten, sondern bloß um die persönlichen Meinungen und Vorlieben der Pfarrer. Sie haben den Eindruck, in der Theologie sei alles Ansichtssache, und beim Gezänk der Theologen komme wenig Handfestes heraus, weil die Spielräume der Interpretation allzu groß sind. Und den feinen Unterschieden auf den Grund zu gehen, haben die Laien schon deshalb keine Lust, weil Theologen oft so kompliziert, so abgehoben und unverständlich reden. Es scheint, als könnten da nur Spezialisten mitdiskutieren, und der Laie traut sich darum kein Urteil zu. Doch ist das gleichermaßen schlecht für den Christen, der dann unmündig bleibt, wie für die Theologie, die ihre Bodenhaftung verliert. Denn wie wir als Kirche Rechenschaft geben von unserem Glauben, und wie wir ihn vor der Welt verantworten, das darf uns nicht egal sein. Jeder Christ ist berufen, in seinem Alltag ein Zeuge Jesu zu sein und Jesu Botschaft weiterzusagen. Aber niemand kann glaubhaft vertreten, was er selbst nicht recht versteht. Und es wird sich auch keiner, der uns von Gott reden hört, auf den Glauben einlassen, wenn er dabei den Eindruck gewinnt, das mit dem Evangelium sei alles ziemlich vage, sei „Ansichtssache“ und in der Auslegung ganz ungewiss. Nein! So darf das nicht sein! Denn wenn es in Theologie und Kirche mit rechten Dingen zugeht, bleibt es nicht dem persönlichen Geschmack der Pfarrer überlassen, welche Botschaft sie zu verkündigen Lust haben, sondern dann gibt es durchaus gute Theologie und schlechte Theologie. Und auch ein Laie kann das eine vom anderen unterscheiden, wenn er den richtigen Maßstab anlegt und sich die Merkmale theologischer Qualität bewusst macht. Jeder Metzger kann sagen, was eine gute Wurst ausmacht. Jeder Mechaniker erkennt einen guten Gebrauchtwagen. Und auch für gute Theologie gibt es Qualitätsmerkmale! Denn um ihre Aufgabe zu erfüllen und überzeugend Rechenschaft vom Glauben zu geben, muss Theologie (1.) „schriftgemäß“ sein, (2.) „zeitbezogen“ und (3.) „widerspruchsfrei“.
(zu 1.) Der erste dieser drei Punkte, leuchtet wohl unmittelbar ein. Theologie muss „schriftgemäß“ sein. Denn da Menschen von Gott nur wissen können, was er sie in seiner Offenbarung hat wissen lassen, muss alle Theologie am Neuen Testament als der Urkunde dieser Offenbarung gemessen werden. Mehr als da drin steht, wissen wir nicht von Gott, was aber drin steht, das dürfen wir keinesfalls ignorieren. Und gute Theologie wird sich darum ebenso hüten, zu Gottes Selbstzeugnis etwas hinzu-zudichten, wie etwas wegzulassen. Es gilt von Gott weder zu viel zu sagen, noch zu wenig, sondern genau das, was er uns hat wissen lassen als er sich in Christus offenbarte. Nicht eigene Gedanken hat der Theologe auszubreiten, sondern das Selbstzeugnis Gottes. Und „schriftgemäße“ Theologie orientiert ihre Glaubenslehre darum so eng an der biblischen Botschaft, dass deren Gesamtheit unverkürzt und unverfälscht aufgenommen, und Jesus Christus als die alles bestimmende „Mitte der Schrift“ zur Geltung gebracht wird. Theologen haben weder den Auftrag noch die Freiheit, das Evangelium neu zu erfinden, sondern sind an Gottes Vorgaben strikt gebunden und schulden der Gemeinde den Nachweis, dass sie nichts anderes sagen als die Schrift – auch wenn sie dasselbe vielleicht anders sagen. Denn nur so ist gewährleistet, dass der Glaube auf dem Weg durch die Jahrhunderte mit sich selbst identisch bleibt. Wenn das aber sichergestellt werden muss, warum beschränken wir uns dann nicht einfach auf die Wiederholung biblischer Sätze? Oder – wenn doch Luther schon alles Wesentliche gesagt hat –, warum gehen wir dann nicht auf „Nummer sicher“ und lesen aus seinen Schriften vor?
(zu 2.) Wir stoßen hier auf das zweite Qualitätsmerkmal guter Theologie: den „Zeitbezug“, der nicht fehlen darf, sondern der in jeder Generation neu hergestellt werden muss, weil die Reformatoren nun mal für ihre eigene Zeit geschrieben haben – und nicht für unsere. In den 500 Jahren, die seither vergangen sind, hat sich zwar das Evangelium nicht verändert, aber die Menschen haben sich verändert. Unsere Zeitgenossen werden heute von anderen Ängsten und Wünschen umgetrieben als die Leute im Mittelalter. Die Kultur, die Sprache, das Weltbild und die Denkvoraus-setzungen haben sich geändert. Wenn auch die Botschaft Jesu noch ganz dieselbe ist, so trifft das alte Wort doch auf neue Ohren! Und daraus entsteht die Not-wendigkeit, die immer gleiche christliche Wahrheit immer wieder anders zu sagen, die alte Botschaft in eine neue Situation hineinzusprechen und sie dabei auf die geistige Lage der Zeit zuzuspitzen. Gute Theologie folgt deswegen nicht etwa dem Zeitgeist, aber sie redet mit dem Zeitgeist. Denn sie will nicht an der geschichtlichen Situation vorbei, sondern in die Situation hinein sprechen. Und das kann nicht in jedem Jahrhundert in derselben Weise geschehen, weil das Gegenüber ständig wechselt. Mal hatte man es mit heidnischen Griechen und Römern zu tun, und mal mit den Katholiken des Mittelalters. Mal musste man sich mit der Nazi-Ideologie herumschlagen, mal mit Kommunisten – und dann wieder mit dem Relativismus und der postmodernen Beliebigkeit der Gegenwart. Das Evangelium ist dabei ganz dasselbe geblieben, weil es niemals jung oder alt, sondern jederzeit gültig ist. Aber die Christenheit als Botschafterin dieses Evangelium wird je nach der aktuellen Gemengelage mal von dieser und mal von jener Seite herausgefordert. Und die theologische Rechenschaft vom Glauben kann ihren Zweck darum nur erfüllen, wenn sie auf die aktuelle geistige Lage Bezug nimmt, die Sprache der Gegenwart spricht und die Fragen der Menschen kennt. Gute Theologie wird deshalb den Gehalt ihrer Antworten nicht aus den Fragen der Zeit ableiten, aber – ohne an der Sache auch nur das Geringste zu ändern! – wird sie ihre Botschaft so formulieren und zuspitzen, dass sie als Antwort auf die Fragen der Zeit vernommen werden kann. Denn unser Auftrag lautet, das Evangelium jeder Zeit so unmissverständlich und deutlich wie möglich zu bezeugen. Gottes Wort erhebt den Anspruch, nicht bloß gestern, sondern jederzeit aktuell und wahr zu sein. Und Theologie muss diesen Anspruch darum immer wieder neu geltend machen…
(zu 3.) Um dabei dann überzeugend und glaubwürdig aufzutreten, muss gute Theologie noch einem dritten, Qualitätsmerkmal genügen. Sie soll den Wahrheits-anspruch des Evangeliums dadurch unterstreichen, dass sie es auf möglichst schlüssige, logisch unanfechtbare und einleuchtende Weise präsentiert. Denn schließlich treten wir als Christen mit dem Anspruch auf, der Welt die Wahrheit zu bringen! Wir behaupten, dass ein jeder im Evangelium die Wahrheit erfährt über sich selbst, über Gott und die Welt. Und wir treten damit in offene Konkurrenz zu all den anderen Weltanschauungen, Philosophien und Glaubensweisen, die von sich dasselbe behaupten. Christliche Theologie nimmt Teil am Streit der Geister, die um Wahrheit ringen. Und sie würde dabei keine gute Figur machen, wenn sie sich in Widersprüche verwickelte oder überhaupt irrational erschiene. Denn wie sollten wir den Anspruch Jesu Christi glaubhaft vertreten, wenn wir mit den Waffen der Vernunft nicht umgehen könnten oder schon vor einfachen Fragen und Einwänden kapitulieren müssten? Wer von kritischen und klugen Leuten ernst genommen werden will, muss ziemlich genau wissen, was er glaubt und warum er’s glaubt! Und darum ist es das dritte Qualitätsmerkmal guter Theologie, dass sie durchdacht ist, mit bekannten Tatsachen vereinbar und schlüssig in ihrer Argumentation. Das bedeutet nicht, dass Theologen die Wahrheit des Glaubens erst beweisen müssten, oder sie nach Maßgabe der menschlichen Vernunft zurechtstutzen sollten. Aber wenn unser Glaube wirklich wahr ist, muss er sich vor kritischen Fragen auch nicht verstecken. Denn die Wahrheit kann sich Offenheit leisten. Sie braucht keine Denkverbote und hat es nicht nötig, die wissenschaftliche Auseinandersetzung zu scheuen! Vielmehr: Wenn wir möchten, dass Außenstehende unser Zeugnis ernst nehmen und Zugang dazu finden, dann sollte es so konsequent durchdacht sein, dass wir’s auch im Gegenüber zu Philosophen, Naturwissenschaftlern und Atheisten glaubhaft vertreten können. Denn wenn wir den Eindruck erwecken, unser Glaube sei bloß irrationaler Unfug, Aberglaube und Gefühlskram, dann machen wir es unseren Gegnern zu leicht….
Wir haben uns damit die drei wichtigsten Merkmale guter Theologie vor Augen geführt. Sie soll ebenso „schriftgemäß“ sein wie „zeitbezogen“ und „widerspruchsfrei“. Wenn’s aber so einfach ist, diese Merkmale zu benennen, warum tut sich Theologie dann so schwer damit, ihnen zu genügen? Warum entsteht trotzdem der Eindruck, es gehe in der Theologie ganz willkürlich zu? Warum predigt ein Pfarrer so völlig anders als sein Kollege in der Nachbargemeinde? Und warum entfernt sich mancher so weit von den biblischen und reformatorischen Wurzeln seiner Kirche, dass man den Eindruck hat, er wolle dem zweiten und dem dritten Merkmal guter Theologie genügen – auf Kosten des ersten? Der Kürze halber will ich mit einem Bild antworten. Denn meines Erachtens ist es die Tragödie der sog. „fortschrittlichen“ Theologie, dass sie dem biblischen Glauben gegenübersteht wie der Mechaniker einem Motor, der nicht wunschgemäß läuft, mit dem er nicht zufrieden ist, und den er reparieren will, obwohl er seine Funktionsweise nicht wirklich versteht. So ein schlechter Mechaniker verändert mal dies und mal das, baut überflüssige Teile ein und lässt notwendige weg. Er probiert planlos herum, hämmert, schraubt und flucht – bis er den guten Motor endgültig kaputt repariert hat. Hinterher schimpft er auf den Motor! Aber liegt‘s nicht eher am Mechaniker, der eine Konstruktion, die er nicht versteht, verbessern will – und sie dabei ruiniert? Natürlich kann man einwenden, das sei kein freundliches Bild, ich sei hier parteiisch und würdige nicht die gute Absicht des Mechanikers. Aber wenn, dann bin ich zumindest nicht der Erste, der die „moderne“ Theologie so sieht. Denn schon der Liederdichter Matthias Claudius, erzählte eine Geschichte, in der ganz Ähnliches geschieht:
Claudius berichtet, dass die Menschen sich in alter Zeit mit der Nahrung behelfen mussten, die die Natur von selbst hervorbrachte, nämlich Eicheln und Beeren, Pilze, Bucheckern und andere harte und schlechte Kost. Doch eines Tages kam ein Mann von ferne her und sagte: „Warum sammelt ihr so mühsam? Es gibt eine bessere Kost für den Menschen! Es gibt auch eine Technik, sie immer reichlich zu beschaffen! Und ich komme, um euch dieses Geheimnis zu lehren!“ Er pflügte vor ihren Augen einen Acker, säte Korn darauf und sprach: „Seht, das müsst ihr tun! Und das Übrige tun die Einflüsse des Himmels!“ Die Saat ging auf, wuchs und brachte Frucht, und die Menschen waren darüber sehr verwundert und erfreut und betrieben nun fleißig Ackerbau mit großem Nutzen. Doch als ihr Lehrer längst wieder weg war, begannen einige an der erlernten Methode herumzumäkeln. Sie fanden das Verfahren allzu schlicht und mochten auch die Beschwerlichkeit nicht mehr ertragen, dass man auf dem Acker unter freiem Himmel arbeiten muss und dem Wetter ausgesetzt ist. „Kommt“, sprachen sie, „lasst uns den Acker schön mit Wänden und Mauern einfassen und ein ordentliches Dach darüber bauen, damit wir darunter dann viel bequemer Ackerbau betreiben! Die Einflüsse des Himmels werden schon nicht so nötig sein, und außerdem sieht sie kein Mensch…“ Andere sagten: „Nein, nein, unser Lehrer ließ den Himmel offen und sagte: Das müsst ihr tun! Und das Übrige tun die Einflüsse des Himmels!“ Aber man antwortete ihnen, das habe er bloß gesagt, um den Ackerbau in Gang zu bringen. Außerdem seien inzwischen ganz andere Zeiten, man habe dazugelernt, und schließlich könne man den Himmel doch über dem Acker an die Decke malen. Sie fassten darauf ihren Acker mit Wänden ein, bauten ein Dach darüber und malten oben ins Dachgewölbe den Himmel hinein. Hinterher pflügten und düngten, ackerten und säten sie. Aber die Saat wollte nicht wachsen! Sie pflügten erneut und düngten, sie ackerten und säten hin und her. Aber die Saat wollte nicht wachsen! Sie verdoppelten ihre Anstrengungen ohne jeden Erfolg, und die umherstanden und ihnen zusahen, begannen darüber zu spotten. Am Ende aber spotteten sie auch über jenen Mann, der vor langer Zeit aus der Fremde gekommen war, um eine so dumme und nutzlose Kunst zu lehren…
Nun – es ist traurig. Aber ein Teil der heutigen Theologie verfährt genau so, wie es diese Geschichte beschreibt. Die junge Christenheit hat durch Jesu Evangelium eine klare Anleitung bekommen, sie hat noch dazu Jesu Vorbild gesehen und konnte an seinem Beispiel die wunderbare Kunst des Glaubens lernen, die bestens funktioniert und jedem Frucht bringt, der sie übt. Aber auf die Dauer wollte man das Evangelium nicht lassen, wie es war, sondern meinte, man könne etwas daran verbessern. Der moderne Mensch ist stolz geworden und hält sich für klug. Er meint, er sei über den Glauben der Väter hinausgewachsen, und will es auch bequemer haben als sie. Damit er an Sonnentagen Schatten hat und bei Regen nicht nass wird, baut er über seinem Acker ein großes schützendes Dach. Die Theologie wird dadurch viel vernünftiger, humaner, moderner, toleranter, zeitgemäßer und populärer! Es sieht nach großem theologischem Fortschritt aus! Aber seltsam – trotz der vielen Verbesserungen will plötzlich die Saat nicht mehr wachsen! Man malt die Hallen-decke mit Bildern des Himmels aus, aber die Saat will trotzdem nicht wachsen!
Denn den wahren Himmel hat man aus dieser Theologie ausgesperrt – und wird nun zum Gespött… Es ist ein Jammer, weil dieser Spott auf Jesus Christus zurückfällt! Doch immerhin: Für all jene, die Regen und Kälte, Sonne und Hitze nicht fürchten, enthält die Geschichte eine gute Nachricht. Denn wenn man bereit ist, das Dach abzureißen und die Mauern wegzunehmen, haben die Einflüsse des Himmels wieder freie Bahn. Und dann zeigt sich, dass der Glaube, den Jesus lehrte und den die Reformatoren beschrieben, noch so gut funktioniert wie am ersten Tag. Denn am Evangelium hat’s ja nicht gelegen, und an Gottes Treue hat’s nie gefehlt…
Mein theologisches Programm besteht also darin, das Dach über dem Acker abzureißen und zum biblischen Glauben der Väter zurückzukehren. Wenn das aber jemand „altmodisch“ und „rückschrittlich“ nennen will, dann lässt mich das kalt. Denn eben denselben „Rückschritt“ hatten die Reformatoren im Sinn, als sie nach den Fehlentwicklungen des mittelalterlichen Katholizismus aufbrachen, um zu den neutestamentlichen Quellen zurückzukehren. Es ist dieser fröhliche „Rückschritt“,
aus dem die evangelische Kirche vor 500 Jahren hervorgegangen ist. Und ich
wage die Prognose, dass auch die theologische Zukunft mit so einem fröhlichen „Rückschritt“ beginnen wird…