ZUFRIEDENHEIT

 

„Hast du Gebresten, so bitte Gott immer wieder, ob es nicht seine Ehre sei und es ihm gefalle, dass er sie dir abnehme, denn ohne ihn vermagst du nichts. Nimmt er sie dir ab, so danke ihm; tut er's aber nicht, nun, so erträgst du's um seinetwillen, jedoch nun nicht mehr als das Gebresten einer Sünde, sondern als eine große Übung, mit der du Lohn verdienen und Geduld üben sollst. Du sollst zufrieden sein, ob er dir seine Gabe gibt oder nicht. Er gibt einem jeden nach dem, was sein Bestes ist und für ihn passt. Soll man jemand einen Rock zuschneiden, so muss man ihn nach seinem Maß machen; und der dem einen passte, der passte dem andern gar nicht. Man nimmt einem jeglichen so Maß, wie's ihm passt. So auch gibt Gott einem jeglichen das Allerbeste nach dem, wie er erkennt, dass es das ihm Gemäßeste ist. Fürwahr, wer ihm darin ganz vertraut, der empfängt und besitzt im Geringsten ebensoviel wie im Allergrößten. Wollte Gott mir geben, was er Sankt Paulus gab, ich nähme es, wenn er's wünschte, gern. Da er es mir nun aber nicht geben will – denn nur bei ganz wenigen Leuten will er, dass sie in diesem Leben schon zu solchem Wissen wie Paulus gelangen – wenn mir's also Gott nicht gibt, so ist er mir darum doch ebenso lieb, und ich sage ihm ebenso großen Dank und bin ebenso völlig zufrieden darum, dass er mir's vorenthält, wie darum, dass er mir's gibt; und mir ist daran ebenso genug, und es ist mir ebenso lieb, als wenn er's mir verliehe, wenn anders es recht um mich steht.“ (Meister Eckhart)