„Wie kann etwas von dem Gegenwärtigen uns zur Ergötzung gereichen, da, während alles vergeht, doch das nicht vergeht, was uns bedroht; da das ganz zu seinem Ende kommt, was wir lieben, und das immer näher rückt, wo der Schmerz niemals aufhört? Der Gewinn eines längern Lebens ist für uns der, dass wir mehr Böses tun, mehr Böses sehen, mehr Böses leiden: das nützt uns ein längeres Leben, dass im letzten Gerichte die Anklage der Sünden größer ist. Was ist der Mensch? Eine Beute des Todes, ein Wanderer, der herberget, leichter als eine Wasserblase, kürzer als ein Augenblick, eitler als ein Bild, geringer als ein Schall, zerbrechlicher als das Glas, veränderlicher als der Wind, flüchtiger als ein Schatten, trügerischer als ein Traum. Was ist dieses Leben? Ein Warten auf den Tod, ein Schauplatz von Missgeschick, ein Meer von Elend, ein Nöselchen Bluts, das jeder beliebige Zufall erschüttert, jedes noch so geringe Fieber zersprengt. Der Lauf des Lebens ist ein Irrgang; in denselben treten wir ein, so wie wir aus der Mutter Leibe kommen, aus ihm treten wir heraus, wenn wir die Schwelle des Todes überschreiten. Wir sind nichts als Erde, die Erde aber ist nichts als Rauch; der Rauch aber ist nichts, darum sind wir nichts. Dieses Leben ist zerbrechlich wie Glas, dahin eilend wie ein Strom, elend wie ein Streit, und doch erscheint es vielen sehr begehrenswert. Eine wertvolle Nuss scheint dieses Leben dem Äußern nach zu sein, aber wenn du sie mit dem Messer der Wahrheit öffnest, so wirst du sehen, dass sie nichts in ihrem Innern birgt als Würmer und Verwesung. Um die Gegend herum, wo sonst Sodom stand, reifen Äpfel, welche durch äußere Schönheit ergötzen, aber, wenn man sie zerdrückt, in Staub vergehen: das Glück dieses Lebens ergötzt äußerlich, betrachtest du es aber ernst und nüchtern, so wird es dem Rauche und Staube ähnlich erscheinen. Darum, andächtige Seele, wolle nicht den Hauptinhalt deiner Gedanken auf dieses Leben beziehen, sondern sehne dich immer mit deiner Seele nach der ewigen Freude. Vergleiche den so kurzen Raum von Zeit, der in diesem Leben uns vergönnt wird, mit den unbegrenzten und niemals zu beschränkenden Jahrhunderten der Ewigkeit, und es wird offenbar werden, wie töricht es ist, diesem so flüchtigen Leben anzuhangen, das ewige aber nichts zu achten.“ (Johann Gerhard)
„Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden. / Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein; / wo jetzund Städte stehn, wird eine Wiese sein, / auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden; / was jetzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden; / was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch und Bein; / nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein. / Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden. / Der hohen Taten Ruhm muss wie ein Traum vergehn. / Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch, bestehn? / Ach, was ist alles dies, was wir vor köstlich achten, / als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind, / als eine Wiesenblum, die man nicht wieder find't! / Noch will, was ewig ist, kein einig Mensch betrachten.“ (Andreas Gryphius)